Zunächst mal die schlechten Nachrichten. Aida hat vor wenigen Tagen angekündigt, dass es diesen Sommer keine Ostseekreuzfahrten mit einer Aida geben wird. Das ist schade, aber natürlich müssen wir das so akzeptieren. Schade deswegen, weil Aida im Massensegment das diversifizierteste Angebot hatte (hierzu siehe auch mein Blog: https://claudiashelsinki.com/2022/01/22/finnische-haefen-als-teil-einer-ostseekreuzfahrt-optionen-fuer-den-sommer-2022-teil-1-aida/). Aida-Schiffe hätten nämlich insgesamt 29 Häfen angelaufen, bei MSC sind es 31 Häfen, bei Costa nur 13 Häfen. MSC hat als einziger Anbieter Kreuzfahrten, die auch Maloy in Norwegen und die isländischen Häfen Reykjavik und Akureyri anlaufen. Costa hat keine Häfen anzubieten, die kein anderer anbietet und Aida hätte sage und schreibe 11 Häfen im Programm gehabt, die im Massensegment niemand anderes anbietet: Haugesund, Mariehamn, Turku, Vaasa, Hamina/Kotka, Sundsvall, Saaremaa, Aarhus, Aalborg, Fredericia und Frederikstad. Daraus wird nun nichts.

Es bleiben aber immer noch insgesamt 39 Häfen, die von MSC und Costa angelaufen werden. Offensichtlich wurde die Ostsee einfach nicht gut genug gebucht und Aida hat daraus die Konsequenzen gezogen.
Es bleiben also MSC (hierzu genauer mein Blog: https://claudiashelsinki.com/2022/03/26/msc-im-sommer-2022-statt-mit-der-faehre-mit-dem-kreuzfahrtschiff-nach-finnland/) und Costa (https://claudiashelsinki.com/2022/02/12/costa-an-der-ostseekueste-ein-fisch-aufm-fahrrad/). Leider fahren die LNG-Schiffe der Flotte nicht in die Ostsee, so dass mit der Aida Nova die einzige umweltfreundlichere Variante im Massensegment verloren gegangen ist.
Nach Wegfall von St. Petersburg wollte ich mir die Statistik der Häfen im Massensegment etwas näher anschauen.
In Klammern gebe ich die Zahl an, wie sie gewesen wäre, wenn Aida weiter wie geplant die Ostsee befahren hätte.

Meistbesuchter Hafen in der Ostsee ist Kiel mit 165 (165) Besuchen. Die Nummer 2 ist nun Kopenhagen mit insgesamt 138 (173) Besuchen. Nummer 3 ist nun Tallinn mit 108 (180) Besuchen. Tallinn wäre also der wichtigste Ostseehafen geworden (deswegen ist das Titelfoto von Tallinn), wenn Aida weiter fahren würde. Geradezu sehr paradox, haben doch zwei Aida-Schiffe Teile der Coronazeit im Hafen von Tallinn verbracht. Wo sich sogar der Hafenkiosk auf die deutschsprachige Kundschaft eingestellt hat, siehe Foto!


Auf Nummer 4 kommt jetzt Helsinki mit 100 Besuchen (153). Ja, hier könnt ihr es sehen. 53 Mal hätte eine Aida Helsinki besucht, bei weitem die Kreuzfahrtgesellschaft mit den meisten Besuchen. Platz Nummer 5 nimmt Stockholm mit 79 (129) Besuchen. Position 6 wird Warnemünde mit 77 (77) Besuchen, Position 7 erhält das norwegische Ålesund, so wie auch die Plätze 8 bis 13, die alle von weiteren norwegischen Häfen eingenommen werden (Hellesylt, Flam, Bergen, Stavanger, Oslo, Eidfjord), bis auf Platz 14 wieder ein Ostseehafen kommt: Riga, mit 31 (35) Besuchen.

Kennzeichen des Massensegments, hier insbesondere bei MSC und Costa, ist also eine Art Hybridisierung der klassischen Ostseekreuzfahrt: Ostsee und Nordsee werden vermengt. Hat man durch eine Publikumsbefragung herausgefunden, dass die Kombination besser verkauft wird? Ostseekreuzfahrten haben bei Insidern – fragen Sie mal eine(n) Kreuzfahrtdirektor*in – den Ruf, das älteste Kreuzfahrtpublikum zu haben, während Norwegenkreuzfahrten eher jüngeres Publikum anziehen. Eventuell möchte man mit dieser Kombination die Buchung für alle vereinfachen, weil „für alle was dabei ist“. Die Oma schätzt halt wirklich den Besuch in Danzig, das sie eventuell als Kind noch erlebt hat, während die Enkel gerne im Geirangerfjord Kanu fahren wollen.

Hier noch ein Vergleich Premium- zum Massensegment, in Klammern die Zahl der Besuche:
Premium | Massensegment | |
meistbesuchter Hafen | Stockholm (37) | Kiel (165) |
Nr. 2 | Helsinki (37) | Kopenhagen (138) |
Nr. 3 | Tallinn (35) | Tallinn (108) |
Nr. 4 | Danzig (18) | Helsinki (100) |
Nr. 5 | Riga (11) | Stockholm (79) |
Nr. 6 | Kopenhagen (10) | Warnemünde (77) |
Nr. 7 | Klaipeda (7) | Ålesund (69) |
Nr. 8 | Visby (6) | Hellesylt (57) |
Nr. 9 | Göteborg (3) | Flam (49) |
Nr. 10 | Bornholm (3) | Bergen (43) |
Nr. 11 | Karlskrona (2) | Stavanger (36) |
Nr. 12 | Kiel (2) | Oslo (35) |
Nr. 13 | Turku (2) | Eidfjord (26) |
Viele deutsche Häfen findet man beim Massensegment, die im Premiumsegment komplett auf den ersten Plätzen fehlen. MSC braucht diese Häfen als Ein- und Aussteigehäfen, die benötigt werden, um das Mosaik des Angebots aufrecht zu erhalten. Man bezahlt dann allerdings auch dafür, dass z.B. Kiel auf ein und derselben Kreuzfahrt mehrfach angelaufen wird.
Stockholm, Helsinki und Danzig haben im Premiumsegment eine deutlich wichtigere Position als im Massensegment. Aber nicht nur diese, sondern auch Riga, Klaipeda, Visby, Göteborg, Bornholm und Karlskrona, die im Massensegment stiefmütterlich behandelt werden.
Wer also wirklich einen Überblick über die Ostsee erhalten möchte, dem bleibt – spätestens nach dem Wegfall der Aida – gar nichts anderes übrig, als Premium zu buchen. Denn man sollte dann schon versuchen, so viele echte Ostseeanrainerstaaten zu besuchen wie möglich, erst recht, wenn jetzt Russland (und damit auch Kaliningrad) wegfällt. Im Idealfall wären das Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Schweden und Dänemark. Doch sogar bei den Premiumanbietern fehlt immer eines dieser Länder: Entweder Riga (Lettland) ist nicht mit dabei oder Klaipeda (Litauen), so bei Phoenixreisen. Oder es fehlt Dänemark (bei der Europa). Das wäre doch eine Idee für den Sommer 2024, der bald geplant wird: Bietet doch eine Ostseekreuzfahrt an, bei der man alles dabei hat, was geht: Danzig, Klaipeda, Riga, Tallinn, Helsinki, Stockholm und Kopenhagen. Warum eigentlich nicht, wo man durch den Wegfall von St. Petersburg eigentlich zwei weitere Häfen anlaufen könnte, ohne extra Zeit zu benötigen?
Schaut man sich die besuchten Länder an, dann ergibt sich folgendes Bild:
Alte und neue Position 1 ist Norwegen (sic!) mit 448 (457) Besuchen (hier sind ausschließlich Kreuzfahrten gezählt, die auch mindestens einen Ostseehafen dabei haben, Ein- und Ausstiegshafen sind nicht mitgezählt, der Ein- und Ausstieg in Kiel reicht also nicht aus, um in dieser Statistik zu erscheinen). Alte und neue Nummer 2 ist überraschend Deutschland mit 242 (242) Besuchen. Alte und neue Nummer 3 ist Dänemark mit 146 (205) Besuchen.
Alte und neue Nummer 4 ist Estland mit 108 (183) Besuchen. Auf Nummer 5 findet man endlich Finnland mit 103 (170) Besuchen, mit Aida-Schiffen wäre Finnland auf die Position 6 gefallen. Nummer 6 ist Schweden mit 98 (171) Besuchen, mit den Aida-Schiffen wäre man auf Position 5.
Position 7: Lettland mit 31 (35) Besuchen
Position 8: Litauen mit 7 (9) Besuchen
Position 9: Polen mit 3 (27) Besuchen
Position 10: Island mit 2 (2) Besuchen

Es gibt also Länder und Häfen, die durch das Nichtkommen der Aidas so gut wie fast das ganze Massensegment verloren haben: Der Tourismus in Danzig (Gdingen) ist ganz schlimm dran.
Noch ein Tipp: Da die Aidas jetzt nicht mehr kommen, hat mein Kalender im Sommer wieder Luft. Es gibt also bessere Chancen als je zuvor, mich als Guide für Helsinki zu bekommen. Also buchen, bevor es zu spät ist!