And the winner is: Norway! Oder Sie, wenn Sie im Sommer Finnland besuchen.

Die Veränderungen der weltpolitischen Lage der letzten Wochen haben sich natürlich gerade auch hier in Finnland bemerkbar gemacht. Finnland ist jetzt auf der Schnellstraße Richtung NATO-Mitgliedschaft. Während in einer Umfrage, die zwischen dem 9. und 11. Februar (also vor Ausbruch des Krieges am 24.2.) gemacht wurde, noch 53% der finnischen Bevölkerung für eine NATO-Mitgliedschaft war, war es zwischen dem 9. und 11. März bereits 62%. Nur 16% sind dagegen (vorher 28%), 21% (vorher 19%) sind unentschlossen (Umfrage von Taloustutkimus). Gestern am 8. April 2022 haben der finnische Präsident Niinistö und der deutsche Bundespräsident Steinmeier sich hier in Helsinki getroffen und die Lage besprochen.

Hier Sauli Niinistö mit seiner Frau Jenni Haukio noch mit Gauck mit Daniela Schadt. Das war 2014 auf der Buchmesse in Frankfurt, als Finnland Ehrengast war.

Für die Tourismusbranche ergeben sich auch viele Änderungen. Besonders amerikanische Kreuzfahrtschiffe werden sich diesen Sommer in der Ostsee rar machen, weil St. Petersburg und auch alle anderen russischen Häfen nicht mehr angefahren werden. Wegen der schwachen Buchungslage für die Ostseekreuzfahrten haben nun einige Anbieter die Ostsee komplett aus dem Angebot rausgenommen. So fahren Princess Cruises und Norwegian gar nicht mehr hierher. Costa hat die Favolosa komplett aus der Ostsee herausgenommen. Einige Anbieter haben auf finnische Häfen umgeroutet, so fährt Aida nach Hamina und die Europa besucht Turku (allerdings sind diese Änderungen zum größten Teil noch nicht im Fahrplan im Internet zu sehen, sie begründen sich auf Informationen der Reedereien).

Der Dom von Turku, in dem auch ein Vorfahr von mir beerdigt ist (Hans Platz; Ratsherr von Turku, 1570-1621)

Nach meinen Informationen fährt auch die Aida Nova nicht mehr alle Ostseekreuzfahrten wie noch im Internet geplant. Diese Liste der Änderungen ist längst nicht erschöpfend, es kommen fast jeden Tag Nachrichten über Umroutungen.

Die Burg von Turku

Und dann rede ich noch gar nicht von anderen Absagen, die Veranstalter gemacht haben, weil die Situation – zum Beispiel in der Energiebranche – sie so herausfordert, dass an Reisen jetzt nicht zu denken ist.

Wenn Reisen komplett umgeroutet werden, dann profitiert im Augenblick am meisten Norwegen (deswegen auch der Predigtstuhl in Norwegen als Titelbild). Ähnliches Klima im Sommer – wenn man möglichen Hitzewellen in Mitteleuropa ausweichen will, ohne in den Flieger zu steigen, dann ist Norwegen der ideale Ersatz. Zwar noch ein Stück teurer als Finnland und Schweden – aber wen interessiert das, wenn man auf dem Schiff eh deutsche Preise hat? Die meisten Gäste werden auf das Glas Wein zu 12 Euro im norwegischen Restaurant verzichten können, wenn sie wissen, dass sie in drei Stunden dasselbe Glas auf dem Schiff entweder inklusive im Reisepreis haben oder wirklich zivile Preise wie bei Phoenixreisen zahlen. Oder sie gönnen es sich erst recht, weil man im Urlaub ist und die 12 Euro sonst für was anderes ausgeben würde. Zusammen mit dem Rentiersteak macht man das sowieso wahrscheinlich nur einmal…

Wir können daher damit rechnen, dass die verbleibenden Ostseekreuzfahrten wahrscheinlich auch nicht mehr ganz so gut gebucht sein werden wie in normalen Zeiten. Das bedeutet weniger Rush-hour, weniger Stress und bessere Fotos für Sie. Und natürlich ein geringeres Corona-Risiko. Deswegen würde ich in diesem Sommer jetzt erst recht eine Ostseereise buchen, egal, ob Kreuzfahrt oder eine sonstige Finnlandreise.

Die Angst der Gäste, Russland könnte ihnen gefährlich werden, ist gerade im Augenblick wenig begründet. Denn noch nie gab es so wenig russische Soldaten an der finnischen Grenze wie jetzt – die sind alle in der Ukraine. Zum Teil weiß man es sogar von einzelnen Kampfeinheiten, die vorher in Karelien stationiert waren und jetzt Putins blutige Pläne dort in die Tat umsetzen. Und so unvernünftig, gerade jetzt einen Krieg an mehreren Fronten anzuzetteln, ist auch Putin nicht. Russland benötigt nach Meinung einiger Experten mehrere Jahre, um sich auf einen neuen Krieg vorzubereiten – von dem wir natürlich alle hoffen, dass er nie kommen wird. Aber das sei für diejenigen gesagt, die immer mit dem Worst Case Szenario planen.

Aber wie so oft im Leben geht es nicht um die Logik, sondern eher um Gefühle. Wir entscheiden aufgrund von Gefühlen, und versuchen dann, diese mit einer logischen Begründung zu untermauern. Die Länge der gemeinsamen Grenze mit Russland beträgt übrigens insgesamt 1343,6 Kilometer, davon auf dem Land 1289,6 km, der Rest befindet sich im Meer. Übrigens ist auch ein Teil des gemeinsamen Grenzverlaufs auf dem Land eigentlich eine Wassergrenze, 125,7 km befinden sich in Seen, 83,6 km in Flüssen und Bächen. Es gibt insgesamt 9 Grenzübergangsstellen. Insgesamt 1120 Personen im finnischen Grenzschutz sind mit der Überwachung dieser Ostgrenze beauftragt, statistisch macht das eine Person auf 1,1 km. Außerdem sind 213 Grenzschutzhunde im Einsatz.

Vielleicht ein Konzert in der Felsenkirche?

Übrigens ist eine der größten Sorgen in diesem Bereich nicht etwa das russische Militär, sondern ein Szenario, bei dem Russland ähnlich wie 2014 bis 2015 es einer Flüchtlingswelle ermöglichen würde, über russischen Boden nach Finnland zu gelangen.

Nur zum Vergleich: Die Ukraine hat eine 1581 km lange gemeinsame Grenze mit Russland.

Doch zurück zur Kreuzfahrtbranche.

Nach meinen Blogs über die verschiedenen Kreuzfahrtanbieter von Ostseekreuzfahrten habe ich nach den Änderungen die Statistiken neu gerechnet. Da ich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen möchte (wie übrigens auch nicht andere, die Kreuzfahrten untersuchen, wie in meinem Blog https://claudiashelsinki.com/2022/01/15/destinationen-bei-einer-ostseekreuzfahrt-helsinki-auf-dem-dritten-platz/ erkenntlich wird), beschränke ich mich in diesem Blog auf das Premium-Segment. Die Ergebnisse von Hapag-Lloyd, Phoenixreisen und TUI habe ich zusammengefasst und bin zu folgenden Ergebnissen gekommen:

Den ersten Platz als meistbesuchte Stadt einer Ostseekreuzfahrt nimmt nun Stockholm ein, mit einem hauchdünnen Vorsprung gegenüber Helsinki. Sowohl Stockholm als auch Helsinki verzeichnen beide insgesamt 37 Besuche, jedoch gewinnt Stockholm, weil Hapag-Lloyd Schiffe so gut wie immer Stockholm als Overnight anbieten. Das Nachtleben in Stockholm muss also gut sein!

Die Altstadt Stockholms vom Wasser aus gesehen.

Helsinki liegt jetzt auf dem zweiten Platz. Tallinn folgt mit 35 Aufenthalten auf Platz 3. Danach kommen Gdingen/Danzig (18 Aufenthalte), Riga (11 Aufenthalte), Kopenhagen (10), Klaipeda ( 7), Visby (6), Göteborg (3), Bornholm (3), Karlskrona (2), Kiel (2), Turku (2) alle anderen mit jeweils einem Besuch (Oslo, Kalmar, Ahlbeck, Wismar, Binz, Warnemünde, Stettin, Mariehamn, Rauma, Kemi, Ventspils (Lettland), Christiansø, Hundested, Helsingør).

Bei den Ländern führt Schweden (49 Besuche), dann folgt Finnland (43 Besuche), Estland (36 Besuche), Dänemark (18), Polen (18), Lettland (12), Litauen (7), Deutschland (5) und Norwegen (1).

Im Premium-Segment finden Ostseekreuzfahrten also weiterhin in der Ostsee statt. Es gibt nicht so viele Hybridprodukte wie im Massensegment, wo die Ostsee gerne in einem Paket mit Norwegen zusammen angeboten wird (dazu mehr in einem späteren Blog). Weiters kann man feststellen, dass keine einzige Destination während einer Kreuzfahrt doppelt angefahren werden würde, wie man es besonders bei MSC öfters hat. Man bekommt also jeden Tag etwas Anderes geboten. Die Auswahl ist beeindruckend. Insgesamt werden 27 Destinationen offeriert. Größte Auswahl hat Phoenixreisen mit 21 Destinationen, Hapag-Lloyd folgt mit 13 (Turku ist dazu gekommen), TUI bietet 11 an. Hier zeigt sich die Stärke eines kleinen Anbieters. Der Anbieter aus Bonn hat exklusiv als einziger die finnischen Häfen Mariehamn, Rauma und Kemi dabei. Außerdem eine große Vielfalt an deutschen Häfen: Kiel, Wismar, Binz, Warnemünde und Stettin, gerade für das ausschließlich deutschsprachige Publikum könnte das ein Argument sein. Auch das lettische Ventspils und einige kleinere dänische Häfen werden ausschließlich von der Phoenix-Flotte angefahren. Wer also eine dieser „exotischeren“ Destinationen mit dabei haben will, ist auf einen Premium-Anbieter angewiesen – und wenn dann der Geldbeutel gewisse Grenzen setzt, dann sieht man, warum Phoenix als Anbieter eine treue Fangemeinde hat.

Hapag-Lloyd punktet als alleiniger Anbieter von Karlskrona, Kalmar und Ahlbeck. Ganz bestimmt bekommt man auf der Kreuzfahrt mit Kalmar vom Lektor auch erklärt, was es mit der Kalmarer Union auf sich hat (wenn Sie punkten wollen: Das war die Vereinigung der Königreiche Dänemark, Norwegen und Schweden zwischen 1397 und 1523; damals war Finnland als Teil von Schweden natürlich auch dabei). TUI hat keine exklusiven Häfen.

Die Premium-Anbieter bieten keine Transferkreuzfahrten an, die Ostseehäfen mit dabei hätten. Auch enthalten Ostseekreuzfahrten der Premium-Anbieter so gut wie immer die klassischen Ostseeziele Stockholm, Helsinki und Tallinn, Ausnahmen betreffen nur TUI und ausschließlich Kurzreisen mit Kopenhagen.

Wie es weitergehen wird? Keiner weiß es.

Wie man sieht, gewinnt Finnland zwar dadurch, dass es Ersatzhäfen für St. Petersburg anbieten kann. Aber es verliert insgesamt enorm, weil jetzt viele Gäste gerade nicht in die Ostsee wollen. Wer es in Helsinki im Sommer also eher ruhig haben möchte, kommt gerade jetzt – erst recht.

Ganz ruhig und ohne Gedränge. Das gibt es nur hier.

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