Seit dem 17.12.2020 steht die finnische Sauna auf der prestigeträchtigen Liste, zusammen mit argentinischem Tango und indischem Joga.
Es war ein langer Weg. Vier Jahre lang vergangen von der Idee, die Sauna auf diese Liste zu hieven, bis zur Verwirklichung.
Eine der Hauptinitatorinnen für dieses Projekt war Ritva Ohmeroluoma von der Finnischen Saunagesellschaft (Suomen Saunaseura, https://www.sauna.fi/ ). Die Gesellschaft sieht sich als Hüterin der finnischen Saunatradition und betreibt eine phantastische Saunenlandschaft auf der Insel Lauttasaari (in Helsinki). Sie umfasst insgesamt sieben Saunen, sechs davon werden mit Holz befeuert. Vier der holzbefeuerten Saunen sind Rauchsaunen (siehe auch mein Blog: https://claudiashelsinki.com/2018/12/14/rauchsauna-nach-kainuu-art/ ), in drei darf eine Saunaquaste aus Birkenzweigen verwendet werden und in einer darf nicht geredet werden.
Um Mitglied in dem Verein werden zu können, braucht man übrigens die Empfehlung von zwei bestehenden Mitgliedern, es gleicht also einem Ritterschlag, wenn man dort aufgenommen wird. An bestimmten Besuchertagen darf man auch als Außenstehender die Saunen genießen, allerdings nur in Begleitung eines Mitglieds (ja, ich war schon eingeladen, kann aber keine Fotos zum Beweis vorlegen, da es natürlich verboten ist, auf der Anlage Fotos zu schießen). Ich kann jedem nur empfehlen, eine Einladung anzunehmen, wenn man nur die Gelegenheit dazu hat!
Doch zurück dazu, wie die Sauna auf die Unesco-Liste kam. Finnland unterschrieb die UNESCO-Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes erst 2013, ein paar Jahre später fing die finnische Museumsbehörde „Museovirasto“ damit an, eine Liste des lebendigen Kulturerbes anzulegen.
Seit 2017 befindet sich die Sauna auf dieser Liste, zusammen mit dem finnischen Tango oder dem Knüpfen von Flickenteppichen (Claudias Helsinki berichtete bereits: https://claudiashelsinki.com/2019/01/26/die-oeffentlichen-webateliers-finnlands-wo-sich-oekologie-und-kunsthandwerk-treffen/).

Die komplette Liste findet sich (auf Englisch) unter: https://wiki.aineetonkulttuuriperinto.fi/
Aus dieser nationalen Liste darf jedes Land dann jedes Jahr einen Vorschlag einreichen, als Erstes kam natürlich die Sauna an die Reihe.
Alle Vorschläge werden einem Komitee mit Vertretern aus 24 Ländern vorgelegt, die dann über die Kandidaten entscheiden. Einem Finnen erscheint die Wichtigkeit der Sauna klar wie Kloßbrühe, es gibt kaum ein anderes Thema, dass in Liedern, Sprichwörtern und im alltäglichen Leben so präsent ist. Über 90% der Finnen besuchen mindestens wöchentlich eine der 2,3 Millionen Saunen. Früher in der Zeit vor den Krankenhäusern wurde man in der Sauna geboren und die Toten bekamen in der Sauna ihre letzte Waschung.
Das wohl bekannteste Sprichwort über die Sauna besagt, dass wenn Sauna, Teer und Brandwein nicht helfen, die Krankheit tödlich endet. Eine andere, bei Nicht-Finnen eher unbekannte Drohung lautet „hinter die Sauna!“, und beschreibt, wohin jemand gehört, dem man den Tod wünscht. Der Ursprung dieser Drohung könnte darin liegen, dass in der Sauna oder auch hinter der Sauna Schlachtungen durchgeführt wurden und der „Komposthaufen“ dementsprechend hinter der Sauna lag. Aus Brandschutzgründen lag die Sauna auch immer vom Wohnhaus entfernt, so dass die Schreie von hinter der Sauna nicht im Wohnhaus zu hören waren. Im Finnischen verwünscht man die Feinde entweder hinter die Sauna oder nach Sibirien, die Zarenzeit lässt grüßen.
Ein Antrag war zu schreiben, die Aufgabe viel der renommierten, oben schon erwähnten Saunagesellschaft zu. Die Saunagesellschaft beauftragte Annamaria Peltokangas mit der Leitung des Projekts, das dann mit Hilfe des Bildungsministeriums durchgeführt werden konnte.
Eine Frage, mit der sich das Projektteam auseinandergesetzt hat, beschäftigte sich damit, wie man die Sauna von anderen Warmhäusern Europas absetzen konnte – schließlich kannten sogar die alten Römer ein Tepidarium. Die Lösung fand sich in Löyly, einem unübersetzbaren Wort (siehe mein Blog: https://claudiashelsinki.com/2019/11/02/unueber-setzbare-woerter/). Gemeint ist der zischende Aufguss, der obligatorisch zum finnischen Saunaritual dazugehört. Und der auch nicht, wie in Deutschland üblich, zeitlich restriktiert wird. Denn im Gegensatz zur deutschen Saunakultur gibt es in Finnland nur eine Regel in der Sauna: Dass es nämlich keine Regel gibt. Jeder saunt nach eigenem Gutdünken. Löyly war früher eine Art Saunageist. Darüber hinaus hat jede Sauna ihren eigenen Saunawichtel oder Saunafee, diese durfte nicht durch lautes Reden und anderes ungehöriges Verhalten gestört werden. An Weihnachten muss man es dem Saunawichtel erlauben, auch in die Sauna zu gehen, deswegen sollte die Weihnachtssauna für die Menschen ausreichend früh erfolgen, so dass der Wichtel genug Zeit hatte, auch den Aufguss zu genießen.

Um den Erfolg des 25seitigen englischsprachigen Papiers zu testen, wurde dieser Menschen aus verschiedenen Ländern und Kultur vorgelegt. Und eines wurde ganz schnell klar: Das Wort „nackt“ kam bei der Probejury gar nicht gut an. So paradox es klingt, der Erfolg war fragwürdig, wenn man diese jedoch allzu klare Tatsache, dass Finnen immer nackt in die Sauna gehen, ohne Feigenblatt präsentieren würde. Man fand eine Lösung, das problematische Wort wurde durch „ohne Kleidung“ ersetzt. Auch bei den Bildern und dem eingereichten Video musste man eine gewisse Zensur ansetzen, um den Erfolg des Projekts nicht zu gefährden.
Schließlich hat es sich gelohnt. Wer die Begründung für die Aufnahme der finnischen Saunakultur nachlesen möchte: https://ich.unesco.org/en/RL/sauna-culture-in-finland-01596
In der jetzigen Erweiterung der Unesco-Liste kamen 50 neue Kulturgüter auf die zuvor 559 umfassende Liste.
Wie wir das feiern werden?
Natürlich mit einem Saunagang, was sonst.
In diesem Sinne wünschen ich Ihnen frohe Weihnachten, möglichst mit einer Weihnachtssauna davor.
PS Der Duden akzeptiert übrigens zwei Arten von Pluralbildung, entweder „Saunen“ oder „Saunas“. Beide Formen sind korrekt.
Quellen: u.a. https://www.hs.fi/kulttuuri/art-2000007688924.html