Finnische Alkoholpolitik

Morgen ist Vappu (finnische Bezeichnung für den 1. Mai, den Valpurgistag). Wer über Vappu noch mehr Infos braucht, hier mein Blog dazu: https://claudiashelsinki.com/2022/05/01/wissenswertes-rund-um-vappu/

Ein Vappu-Picknick auf Suomenlinna im Piperpark, Anfang der neuziger Jahre. Mit überraschend wenig alkoholischen Getränken. Falls sich jemand auf dem Foto wiederfindet – bitte bei mir melden. Nehme das Foto bei Bedarf heraus.

Heute Abend knallen die Korken bei Manta, auch über diese Dame gab es schon einmal einen Blog (https://claudiashelsinki.com/2020/05/01/manta-wurde-dieses-jahr-virtuell-bemuetzt/).

2023 ist die Studentenschaft der Aalto-Universität dran, der Dame die Studierendenmütze aufzusetzen. Besonders die Studierenden der früheren Technischen Universität (die mittlerweile mit der Wirtschaftsuniversität und der Kunstuniversität zur Aalto-Universität fusioniert ist) sind bekannt für ihre Rechnungen, wie man sich am günstigsten – unter der Vermeidung von Steuern – betrinkt. Aber nicht nur sie, in fast jedem finnischen Studentenwohnheim habe ich 1990 und 1991 (als ich Austauschstudentin an der Universität Helsinki war) es blubbern gehört. Blupp, blupp – die an Vappu nötigen Festgetränke wurden in Eigenregie im Wohnzimmer hergestellt. Ein bisschen Fruchtsaft, Zucker und Gärungshefe und los geht es. Manche bringen wahre Meisterwerke zustande, manches ist einfach nicht genießbar.

Grund genug, um einmal die finnischen Alkoholpolitik unter die Lupe zu nehmen.  

Finnland ist bekannt für seine strenge Alkoholpolitik, die oft als eine der härtesten der Welt angesehen wird. In Europa sind nur Norwegen und Island von den Preisen noch höher. Diese Politik wurde entwickelt, um die negativen Auswirkungen von Alkohol auf die Gesellschaft und die öffentliche Gesundheit zu minimieren (= offizieller Text). Und die Staatseinnahmen zu maximieren (= inoffizieller Zweck). In den „guten alten Zeiten“ – also vor der EU – stammten circa 10% der finnischen Staatseinnahmen aus Einnahmen der Alkoholsteuer. Die EU hat das geändert, und dafür sind viele Finnen der EU auf ewig dankbar.  

Manta war das erste Denkmal in Helsinki, das eine nackte Frau zeigte und sorgte damals für einen Skandal.

Ein wichtiger Bestandteil der finnischen Alkoholpolitik ist das staatliche Monopol auf den Verkauf von Alkohol. Die finnische Regierung kontrolliert den Verkauf von Alkohol über das Alko-System, das ein Netzwerk von staatlichen Alkoholgeschäften betreibt. Der Verkauf von alkoholhaltigen Getränken (die eine gewisse Menge von Alkohol überschreiten) ist nur in Alko-Läden, Restaurants und Bars mit einer speziellen Lizenz erlaubt. Seit 2019 gibt es immerhin die letzte Lockerung. Wenn bis dahin nur Getränke bis 4,7% Alkoholgehalt in Supermärkten erhältlich waren, sind es ab 2019 nun Getränke bis 5,5% Alkoholgehalt. In Finnland sorgte diese Lockerung schon für eine heiße Diskussion, vom Ausland her gesehen war es wohl eher ein Sturm im Wasserglas.

Die Alkoholsteuern sind auch sehr hoch. Schauen wir uns das mal genau an.

Die Steuern sind an den Alkoholgehalt des Getränkes gekoppelt.

Für Bier mit über 0,5, jedoch maximal 3,5% Alkohol zahlt man 28,35 Cent pro Zentiliter Alkohol. Sind es über 3,5%, sind es 38,05 Cent pro Zentiliter. Für Steuervermeider also ergo: Lieber ein Bier mit 3,5% kaufen, als mit 3,6%.

Für Wein und andere durch Gärung entstandene Alkoholsorten sind es:

  • Bei über 1,2, aber maximal 2,8% Alkoholgehalt: 36 Cent pro Liter fertiges Alkoholgetränk.
  • Über 2,8%, aber höchstens 5,5% Alkoholgehalt: 198 Cent pro Liter fertiges Alkoholgetränk.
  • Über 5,5%, aber höchstens 8% Alkoholgehalt: 287 Cent pro Liter fertiges Alkoholgetränk.
  • Über 8%, aber höchstens 15% Alkoholgehalt: 421 Cent pro Liter fertiges Alkoholgetränk.
  • Über 15%, aber höchstens 18% Alkohol: 421 Cent pro Liter fertiges Alkoholgetränk.

Getränke, die Alkohol enthalten, die durch „Mischung“ entstanden sind (Alkopops usw.):

  • Über 1,2%, aber höchstens 15% Alkoholgehalt: 501 Cent pro Liter fertiges Alkoholgetränk.
  • Über 15%, aber höchstens 22% Alkoholgehalt: 771 Cent pro Liter fertiges Alkoholgetränk.

Alle anderen Alkoholgetränke:

  • Über 1,2%, aber höchstens 2,8% Alkoholgehalt: 30,90 Cent/ Zentiliter Alkohol
  • Über 2,8%: 50,35 Cent/Zentiliter Alkohol

Mit anderen Worten: Mit einer normalen Flasche Wein zahlt man circa vier Euro Alkoholsteuern an den Staat – und dann fehlen noch die 24% Mehrwertsteuern.

Ein Weinexperte (https://www.mtvuutiset.fi/makuja/artikkeli/onko-valia-ostaako-alkosta-7-50-vai-15-euroa-maksavan-viinin-viiniasiantuntija-tuomas-meriluoto-paljastaa-juomien-todellisen-eron-oletko-tullut-ajatelleeksi/7956520 ) kommt zum Schluss, dass bei den günstigsten Weinen im Alko, die ungefähr 7,50 Euro kosten, nur ein Euro für den Wein bezahlt wird, der Rest sind Steuern, Verpackung, Transport, Personalkosten usw. und natürlich der Gewinn von Alko. Kauft man dagegen einen Wein von 15 Euro, dann zahlt man vier Euro für den Wein und hat qualitätsmäßig einen vierfach besseren Wein als den mit 7,50 Euro. Meine persönliche Erfahrung ist, dass ein Wein, der in Deutschland oder Österreich 7,50 Euro kostet, hier das doppelte kostet.

Finnland erhebt damit eine der höchsten Alkoholsteuern in Europa, was den Preis von Alkohol erhöht und den Konsum einschränkt. Nicht nur das: Alkohol darf nach 21 Uhr im Supermarkt nicht verkauft werden. Dann gehen die Jalousien runter (falls du dich mal gewundert haben solltest, dass im Supermarkt die Schränke mit Alkohol solche haben). Darüber hinaus gibt es strenge Einschränkungen für den Verkauf von Alkohol an Jugendliche unter 18 Jahren.

Finnland hat auch eine Null-Toleranz-Politik für Alkohol am Steuer. Die Promillegrenze liegt bei 0,5 Promille, was bedeutet, dass selbst ein Glas Bier genug ist, um die Grenze zu überschreiten. Verstöße gegen diese Regelungen können zu hohen Geldstrafen und sogar Gefängnisstrafen führen.

Die finnische Alkoholpolitik hat in der Vergangenheit auch zu Kontroversen geführt. Einige Menschen argumentieren, dass die Politik zu einem Anstieg des illegalen Alkoholkonsums und des Schmuggels geführt hat, da die hohen Steuern und Einschränkungen den Preis von Alkohol in Finnland erhöhen.

Trotzdem scheint die finnische Alkoholpolitik weitgehend erfolgreich zu sein. Finnland hat eine vergleichsweise niedrige Alkoholkonsumrate im Vergleich zu anderen Ländern in Europa und der Welt. Das wird viele wundern, Deutschland liegt weltweit auf dem fünften Platz, man konsumiert insgesamt 13,4 Liter reinen Alkohol pro Person pro Jahr (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Alkoholkonsum ). Finnland folgt abgeschlagen auf Platz 31 mit 10,3 Litern, sogar Österreich (11,6 l) und die Schweiz (11,5 l) liegen höher.   

Darüber hinaus hat Finnland in den letzten Jahren eine sinkende Tendenz im Alkoholkonsum bei Jugendlichen gezeigt. Allerdings wird 80% des finnischen Alkohols von 20% der Bevölkerung getrunken. Das kann jeder sehen, der schon mal mit dem Schiff nach Finnland gefahren ist oder einen Tagesausflug nach Tallinn gemacht hat.

Tipp: Wenn du möglichst wenig von dem Alkoholtourismus und seinen Folgen miterleben willst, dann nimm die etwas teurere Fähre nach Tallinn. Also die Tallink Silja und nicht die Viking. Und fahre an einem Wochentag, nicht an einem Freitag oder am Wochenende.

Oder andersherum: Wenn du die Auswirkungen der finnischen Alkoholpolitik live und in voller Härte erleben willst, dann nimm die Vikingfähre (sie ist in der Regel die billigste) und fahr an einem Samstag.

Wie auch immer: Ich wünsche dir “Hyvää vappua!” (= Einen guten 1. Mai). Wer noch einen Tipp braucht für einen guten finnischen Drink: Der Arctic Blue Gin mit Blaubeergeschmack ist ganz bestimmt eine gute Wahl. Achtung, hat fast 47% Alkohol. Meine persönlicher Tipp auch noch: Wer noch finnische Liköre hat, zum Beispiel einen Multebeerenlikör, der kann den auch sehr gut mit Sekt mischen.

4 Gedanken zu “Finnische Alkoholpolitik

  1. die Preise für parktisch alle Alkoholika im Alko entsprechen leider nicht dem Einkaufspreis plus Alkoholsteuer plus “faire” Marge sondern sind ein vielfaches höher.

    Ein Flasche Erdinger Weissbier gibt’s bei den Mengen, die Alko vermutlich einkauft für sagen wir 0,5€ vor Steuern, dann die o.g. Alkoholsteuer drauf (knapp 2€/Liter also 1€/Flasche) wären wir bei 1,5€, die VAT geht vom VK Preis ab, aber bei 3.5-4€/Flasche wird hier auch ohne genau Aufschlüsselung klar, dass hier einer ganz klar seine Monopolstellung ausnutzt und dick verdient!

    Ich finde das peinlich und schlussendlich nicht zielführend: die Finnen fahren zu tausenden nach Tallinn, Stockholm oder gleich in den Urlaub nach Polen, wo sie dann mit 250 Liter Bier zurück reisen.

    Trotzdem sterben jährlich tausenden Menschne an der Alkoholsucht, der Wochenendvollrausch war jahrelang “akzpetiert” – meine erster Freund ist im Alter von 52Jahre gestorben, der Bruder meiner Frau mit 60.

    Hier wird nur gut verdient, letztlich wäre ein anderer Ansatz zielführender: weniger teuer st weniger interessant, also kann mna bewusster konsumieren.Und aufklären, gar nicht saufen!

    • Du hast natürlich Recht! Man hätte noch so viel Weiteres schreiben können, es ist ein weites Feld. Mich ärgert besonders, dass alkoholfreie oder -ärmere Produkte (z.B. ein Cider mit 0,5%) fast genauso viel wie ihre alkoholhaltigen Pendants kosten. Das entlarvt die wahre Intention, nämlich einfach nur richtig gut zu verdienen. Wenn es den Verantwortlichen wirklich um die Alkoholschäden gehen würde, dann würde der Clausthaler nicht 2,80 Euro kosten. Statt eine wirklich kostengünstige Alternative anzubieten. Sorry, die Alternative ist nicht Sprudelwasser!

  2. Das mit Verpackung und Transport ist alles Luft! In Spanien gibt’s bei Aldi oder Mercadona ‘ne Flasche Wein für 1-1,5€, da verschenken die dann wohl den Wein selber?

    Noch was den wahren Charakter dieses Systems offenbart: ausser in Portugal habe ich selten so eine große Auswahl an BiB (bag in the box) Weinen gesehen. Das ist 90% kein schlechter Wein (ausser der wo drauf steht “Cuve from different wines from Europe), nur halt nicht für lange Lagerung vorgesehen.

    In Portugal dürften noch mehr Menschen von dem Zeugs abhängig sein, aber warum muss der finnische Alko 30 verschiedene BiB anbieten? Ja ist so schön am Mittsommer im Mökki dauern nur kurz abfüllen (wobei die Finnen ja keinen Krug kennen, sondern direkt ins Glas wie früher im Ostblock, sorry)

    Alkohlsteuer bei 5 Liter = 21€ – Einkaufspreis in Portugal 4-5€ (VK in PT 5-8€ also bissle weniger ohne VAT) – mit fairem Preisaufschlage wären wir bei 30-35€ für diese BiBs – defacto kosten die 5Liter Bib ab 60€

    Und mit diesen BiB ist der Konsument gezwungen “schnell” leer zu trinken, nach 4-5 Tagen im Kühlschrank ist der hinüber. Also Suchtfaktor wird erhöht!!!

    Also hier wird klar Geschäft gemacht mit der Sucht, bzw. sogar noch Sucht erzeugt!

    24/7 Läden braucht m.E. auch keiner! Gut ist, dass die das andere Volksuchtmittel (Zigaretten) recht konsquent aus Werbung und Verkaufsraum verbannt haben (unsichtbar, es gibt keine öffentlichen Zigarettenautomaten (allerdings wurden vor 20 Jahren auf Veranstaltugen kostenlose Zigaretten einzeln angeboten oder von Promotion teams verteilt)

  3. Ich gebe dir Recht. Ich habe ja den finnischen Experten zitiert, der die Verpackung etc. anführt… Nur eine Sache ist nicht korrekt. BiB hält viel länger als es der Hersteller verspricht. Da kein oder kaum Sauerstoff an den Wein rankommt, hält er viel länger. Ich habe eine BiB-Packung mit einem Rotwein über ein Jahr offen gehabt, weil ich es einfach ausprobieren wollte, wann er schlecht würde. Nach über einem Jahr hatte ich ihn eher ausgetrunken als dass er schlecht geworden wäre. Bei mir war er nicht einmal im Kühlschrank! Weiß nicht, ob das ein Einzelfall ist, aber ich kann es nur empfehlen, hält wesentlich länger als die offene Flasche im Kühlschrank. Gerade wenn man nur dann und wann ein Gläschen trinken will, also sehr “unfinnisch”.

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