EU-Rekord in der Impfbereitschaft?

64 Prozent der Finnen wollen sich gegen Corona impfen lassen. 20 Prozent stehen der Impfung negativ entgegen und 16 Prozent wissen nicht, welche Stellung sie einnehmen wollen. Das jedenfalls sind die – eigentlich schon veralteten, aber die letzten verfügbaren – Meinungsumfragen. Über die Hintergründe der finnischen Sonderstellung bei Corona hat dieser Blog bereits berichtet: https://claudiashelsinki.com/2020/11/20/acht-grunde-warum-finnland-corona-besser-ubersteht-als-fast-alle-anderen/.

Die Impfbereitschaft hängt stark vom Alter ab. Von den über 65jährigen wollten sich sogar 82 Prozent impfen lassen, zwischen 18 und 29 waren es nur 48 Prozent (Online-Untersuchung des THL, durchgeführt von „Taloustutkimus“, die letzten Daten wurden zwischen dem 27.11 und 1.12. erfragt, es wurde jeweils eine repräsentative Gruppe von 1000 Personen befragt.)

Foto von Mihku Mihkunen

Und in Deutschland?

„In der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur gaben 32 Prozent der Befragten an, sich so schnell wie möglich immunisieren lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber trotzdem erst einmal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten. 19 Prozent haben sich gegen eine Impfung entschieden, 16 Prozent sind noch unentschlossen.“ ( https://www.pharmazeutische-zeitung.de/nur-zwei-von-drei-wollen-sich-impfen-lassen-122734/)

Interpretationsmöglichkeiten bleiben in der Aussage „trotzdem erst einmal mögliche Folgen der Impfung bei anderen“ abzuwarten. Wie lange wird als ausreichend lange empfunden werden? Wer sich nicht informiert, wird nicht wissen, dass der Löwenanteil von Nebenwirkungen von allen Impfungen sehr unmittelbar nach der Impfung folgt, davon 99% innerhalb der ersten halben Stunde. Solche Menschen könnten zu dem Ergebnis kommen, dass es sicherer wäre, erst einmal ein bis drei Jahre abzuwarten. Was ein falsches Gefühl von Sicherheit vorspiegeln könnte.

Deswegen geht das Online-Tool »Corona-Impfterminrechner« des Start-ups Omni Calculator von einer Impfbereitschaft von 54% aus.

Zehn entscheidende Prozent Unterschied.

Bei mir um die Ecke am 5. Februar 2021

Und wie sieht es in den anderen deutschsprachigen Ländern aus?

In Österreich scheint die Impfbereitschaft zu steigen, jedoch mit Einschränkungen. Nur 25% stimmen voll zu, wenn man sie nach ihrer Bereitschaft fragt, 31% stimmen eher zu.

Das Gallup-Institut fasst zusammen (Stand Ende November 2020: „Mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung will sich gegen COVID-19 impfen lassen, wenn der Impfstoff sicher und wirksam ist“. Eine Gummiformulierung. Wem vertraut man mehr in der Einschätzung, ob der Impfstoff sicher und wirksam ist? 99,9% der WissenschaftlerInnen oder ein paar Aluhüten?

Auch in Österreich steigt die Impfbereitschaft mit steigendem Alter, aber auch mit höherem Bildungsabschluss, liegt dieser vor, entscheiden die ÖsterreicherInnen sich ungefähr genauso häufig für eine Impfung wie im Durchschnitt die gesamte finnische  Bevölkerung . (https://www.gallup.at/de/unternehmen/studien/2020/covid-19-impfbereitschaft-steigt/ )

Die Tendenz geht jedoch eindeutig nach oben. Nach den neuesten Gallup-Umfragen sind es insgesamt 61%, allerdings aufgeteilt in 39% Festentschlossene und 22% eher Entschlossene. Besonders aufgeholt haben Frauen  (https://www.diepresse.com/5929075/61-prozent-der-osterreicher-sind-impfbereit-angst-vor-lockdown-folgen-steigt )

Was ist in der Schweiz?

Von allen deutschsprachigen Ländern scheint es sich hier um das „impfunwilligste“ Land zu handeln. „Im Oktober 2020 hatten im von der Forschungsstelle Sotomo erstellten Corona-Monitor noch 16 Prozent der Teilnehmenden angegeben, sich impfen lassen zu wollen, wenn die Impfung verfügbar ist. In der neuesten Umfrage stieg der Anteil auf 41 Prozent. Leicht zurück – von 28 auf 24 Prozent – ging der Anteil jener, die keine Impfung wollen.“ (https://www.suedostschweiz.ch/politik/2021-01-15/impfbereitschaft-bei-schweizer-bevoelkerung-markant-gestiegen ). Auch ist die Anzahl derjenigen, die angaben, sich sicher nicht impfen zu lassen, mit 24,1% die höchste der deutschsprachigen Länder (https://www.srf.ch/news/schweiz/6-corona-umfrage-der-srg-impfbereitschaft-in-der-schweiz-nimmt-markant-zu ).

Die Schweiz bildet damit leider das Schlusslicht bei der Impfbereitschaft.

Interessant sind die Einschränkungen „im Kleingedruckten“ der Umfragen im Vergleich. Die 64% Impfbereiten in Finnland lassen sich impfen ”wenn eine Impfung kommt und diese empfohlen wird” (im Original: „jos se tulee saataville ja sitä suositellaan“). Das zeigt das hohe Maß an Vertrauen, dass die finnische Bevölkerung in ihre MedizinerInnen und die offiziellen Empfehlungen hat. Die Einschränkungen in Deutschland und Österreich sind Gummieinschränkungen. So könnte ein Teil der zwar grundsätzlich Impfbereiten in Deutschland und ebenso ein Teil derselben Gruppe in Österreich darauf warten, dass weltweilt noch mehr Menschen geimpft werden müssen, bevor sie sich selbst trauen. Diese Einschränkungen gibt es in Finnland nicht.

Liebe KritikerInnen: Wenn schon vorsichtig, dann mach mit dir selbst einen Deal: Setze dir eine Grenze, und wenn diese Grenze überschritten ist ohne dass es zu dramatischen Nebenwirkungen kam, dann trau auch du dich zur Impfung. Mit Datum 4.2.2021 (also zwei Tage vor Veröffentlichung dieses Blogs) sind weltweit mehr Menschen gegen Covid 19 geimpft als daran erkrankt sind, unglaubliche 104,9 Millionen https://www.france24.com/en/health/20210204-more-people-now-vaccinated-against-covid-19-than-infected-worldwide-data-shows . Jeden Tag steigt die Zahl weltweit um Millionen an. Wie viele reichen für dich aus? Leider fürchte ich, dass für eingefleischte Impfgegner keine Zahl der Welt ausreichen wird…

Auf den ersten Blick scheint es keinen großen Unterschied zwischen Finnland und Österreich zu geben (64 versus 61%), die Einschränkungen jedoch zeigen, dass es in Österreich wesentlich mehr Impfskepsis gibt. Oder anders ausgedrückt: 64 sichere Prozent sind besser als 61 unsichere. Die 64% in Finnland sind eher mit den sicheren 32% in Deutschland und den 25% sicheren in Österreich vergleichbar.

Da wir für eine Herdenimmunität circa zwei Drittel Immunisierte brauchen, liegt Finnland nach dieser Prognose nur zwei Prozent von dem Ziel entfernt.

Alle deutschsprachigen Länder haben aufzuholen. Leider werden wir mit diesen Zahlen in keinem dieser Länder eine Herdenimmunität erreichen, maximal einzelne Regionen oder Kluster von Herdenimmunität, jedoch keine landesweite.

Und europaweit? Eine wissenschaftliche Studie vom Juni 2020 („Once we have it, will we use it? A European survey on willingness to be vaccinated against COVID-19“) untersuchte die Impfbereitschaft während der ersten Welle von Corona im Frühjahr. Leider ist bei dieser Untersuchung nur Deutschland dabei, damals mit einer Impfbereitschaft von 70% ( https://link.springer.com/article/10.1007/s10198-020-01208-6). Die höchste Bereitschaft fand sich damals bei Dänemark (80%), Großbritannien (79%) und der extra untersuchten besonders betroffenen Lombardei (79%, Italien ohne Lombardei: 74%).

Wenn wir uns die Lage weltweit anschauen, dann kann man nur sagen, dass man es sich leisten können muss, auf eine Impfung zu verzichten: https://www.euronews.com/2020/12/09/which-parts-of-europe-are-likely-to-be-most-hesitant-about-a-covid-19-vaccine, beruhend auf https://www.nature.com/articles/s41591-020-1124-9 .

Nur in entwickelten Ländern mit einem allgemeinen Krankenversorgungssystem. Die meisten anderen hoffen auf die Impfung. Die gestellte Frage lautete auch hier: Falls eine Impfung erhältlich wird und diese ausreichend sicher und effektiv ist, würde ich mich impfen lassen? („If a COVID-19 vaccine is proven safe and effective and is available to me, I will take it.”)

Außerdem noch interessant? Bevor die Impfungen erhältlich waren, gab es noch eine höhere Anzahl von Impfbereiten. In einer im Oktober veröffentlichen Untersuchung (https://www.ipsos.com/en/global-attitudes-covid-19-vaccine-october-2020 ) stellten die Impfbereiten in Deutschland noch 67% dar (gegenüber 69% im September), in Italien waren es 65% (gegenüber 67% im September). Man könnte fast meinen, dass da einige auf einmal Angst vor dem eigenen Mut bekommen haben…

Wir wissen, dass es immer einige Menschen gibt, die aus medizinischen Gründen sich nicht impfen lassen können (und das gilt unabhängig von der Krankheit gegen die man impft). Bei der Corona-Impfung wurde zum Beispiel denjenigen davon abgeraten, die bereits einen allergischen Schock erlebt haben und auf einen der Bestandteile in der Impfung allergisch reagieren. Diese Menschen sind dringend darauf angewiesen, dass möglichst viele andere sich impfen lassen, Familienmitglieder, KollegInnen, der Pizzalieferant genauso wie die Krankenschwester, die sie behandelt. Und die Rezeptionistin am Hotel, wo man Urlaub machen möchte.

Wenn du zu dieser wenn auch kleinen Gruppe gehörst, dann weisst du, wovon ich rede. Wenn du also sicher Urlaub machen wollen, und so schnell wie möglich mal dem Alltag entfliehen willst, dann ist Finnland das erste Land, das du unbesorgt besuchen kannst, wenn es wieder möglich ist. In diesem Sinn herzlich willkommen! Wir freuen uns schon auf dich.

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