Das laktosefreie Paradies

In einem früherer Blog habe ich bereits darüber gesprochen, dass Finnland ein wahres Paradies für Zöliakie-Kranke und Menschen mit Glutenintoleranz ist. Und angedeutet, dass es auch für Menschen mit Laktoseintoleranz ganz ähnlich gut aussieht.

Letzteres schon seit Jahren.

Warum? Weil wir in der finnischen Bevölkerung einen wesentlich höheren Anteil an diagnostizierter Laktoseintoleranz haben. Mit Laktoseintoleranz ist ein genetischer Zustand beschrieben, der hervorruft, dass man als Erwachsener keine Milch vertragen kann, weil man den darin enthaltenen Milchzucker (= Laktose) nicht abbauen kann. Normalerweise wird nämlich der in der Milch vorhandene Milchzucker durch ein Enzym namens Laktase im Darm gespalten, als kleines Kind können das alle, jedoch verliert man diese Eigenschaft. Fehlt das genetische Programm zur lebenslangen Herstellung dieses Enzyms, dann bleibt der Milchzucker ungespalten. Im Darm stürzen sich die dort befindlichen Bakterien auf den Milchzucker und produzieren beim Verdauen Gase, die zu Blähungen, einem aufgedunsenen Bauch, Bauchschmerzen und durchfallähnlichen Zuständen führen. Es handelt sich übrigens um einen weltweit sehr verbreiteten Zustand, es gibt weltweit mehr Menschen, die laktoseintolerant sind als solche, die Milch vertragen können, Schätzungen gehen von circa 75% aus. Besonders in Asien und Afrika ist der Großteil (80-90%) der Menschen laktoseintolerant.

In Finnland wissen 18-20% der Bevölkerung, dass sie unbehandelte Milch nicht vertragen und greifen daher auf eine große Palette von laktosearmen (vähälaktoosinen) oder laktosefreien (laktoositon) Lebensmitteln zurück.

In Deutschland gibt es mindestens genauso viele laktoseintolerante Personen, jedoch wissen die meisten noch nichts davon und schieben ihre Beschwerden auf andere Ursachen, so kann es sein, dass man den Kaffee verantwortlich macht, wo es doch die Milch ist, die das Unwohlsein verursacht.

Der größte Hersteller von Milchprodukten names Valio führt sage und schreiben 26 verschiedene Sorten von Milch, die es dann noch teilweise in unterschiedlichen Packungsgrößen gibt, so dass man auf insgesamt 52 verschiedene Produkte kommt (von www.valio.fi).

Immer wieder stößt man auf die Unterscheidung „Milch“ (maito) versus „Milchgetränk“ (maitojuoma). Milch darf sich nach der finnischen Gesetzgebung nur nennen, was direkt aus dem Kuheuter kommt und ausschließlich einer der folgenden Bearbeitungen hinter sich hat:

  • Zusatz oder Entfernung von Milchfett
  • Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen (typischerweise wird fettarmer oder fettfreier Milch Vitamin D zugeführt, weil diese sonst zusammen mit dem Fett auch das fettlösliche Vitamin D verlieren würde)
  • Verringerung des Laktosegehalts durch Hydrolisierung

Alle anderen Maßnahmen, etwa eine Standardisierung des Proteingehalts oder auch der Zusatz von Kakao, führen dazu, dass die so behandelte Milch nur als Milchgetränk verkauft werden kann.

Der Hersteller verwendet zur Herstellung von laktosefreier Milch zwei verschiedene Verfahren, das eine wird durch den Handelsnamen „Eila“, das andere durch den Handelsnamen „Hylä“ gekennzeichnet. Hylä-Milch ist immer auch gleichzeitig ultrahocherhitzt. Falls du laktoseintolerant bist, dann rate ich dir, beide Produkte einmal miteinander zu vergleichen und dann aufgrund des Geschmacks zu entscheiden. Viele sind der Meinung, dass das „Eila“-Verfahren die Milch frischer schmecken lässt als die Hylä-Behandlung, aber über Geschmack lässt sich bekannterweise nicht streiten.

Hier also die komplette Liste des Herstellers Valio:

·  4 Vollmilchsorten und vollmilchartige Milchgetränke (täysmaidot ja -maitojuomat), in der Regel in einer roten Packung; davon zwei laktosefreie Sorten

·  11 halbentrahmte Milchsorten und milchartige Getränke (kevytmaidot ja maitojuomat), in der Regel in einer mittelblauen Packung; davon 5 laktosefreie Sorten

·  1 Sorte „Einser“ Milch (gemeint ist eine Milch mit 1% Fettgehalt) (Ykkösmaidot), in einer mittelblauen Packung mit etwas gelb; diese Sorte ist eine Art Kompromiss für Leute, denen die fettfreie Milch einfach zu wenig Milch ist, die aber trotzdem nicht zu viel Fett zu sich nehmen wollen; diese Milch stammt von freilaufenden Kühen

·  8 fettfreie und fettfreie Milchgetränke (rasvattomat maidot ja maitojuomat), in der Regel in einer hellblauen Packung, davon 4 laktosefreie

·  2 Spezialmilchsorten (erikoismaidot), davon eine laktosearme Sorte (die man aber unbesorgt nehmen kann, weil sie Laktase-Enzym zugesetzt hat)

Die Vollmilchvaritäten gibt es in den Sorten:

laktosefreie 3% „Eila“, Biovollmilch „der alten Zeit“ (nicht homogenisiert, mein persönlicher Favorit, siehe Foto), Vollmilch Hyla UHT (ultrahocherhitzt), Vollmich freilaufender Kühe (also nicht nach den Biorichtlinien, aber trotzdem kuhfreundlich)

Die “Bauernmilch” aus alten Zeiten, nicht homogenisiert, mit natürlichem Fettgehalt

Die halbentrahmten Varietäten eint, dass sie alle 1,5% Fettanteil haben, sich jedoch unterscheiden in:

  • Bio (Bio-Milch darf übrigens kein extra hinzugefügtes Vitamin D enthalten, bis auf die komplett fettfreie, wo es wieder erlaubt ist, weil diese sonst gar kein Vitamin D hätte)
  • nicht bio bzw. konventionell
  • von freilaufenden Kühen (aber nicht bio!)
  • sogenannte „Plus-Milch“, der extra Milchprotein zugesetzt wird, auf 5% standardisiert (wird besonders gerne von Sportlern getrunken, gibt es aber nicht in den laktosefreien Varietäten)
  • und fast alle obigen Varietäten entweder in laktosefreier Eila- oder Hylä-Varietät

Die fettfreien Sorten eint ein Fettgehalt von 0%, die Weißkraft im Kaffee ist also nicht besonders hoch. Die Sorten entsprechen denen der halbentrahmten.

Die Spezialsorten sind:

  • „Kiehu“ – eine speziell aufbereitete Milch, die das Anbrennen der Milch erschwert
  • eine spezielle laktosearme Kaffeemilch mit 2% Fett, aber einem etwas erhöhten Proteinanteil, Vitamin D-Zusatz und Laktase-Enzym; sie soll sich speziell gut für die Herstellung von Kaffeespezialitäten eignen

Große Verwirrung?

Wenn du also laktoseintolerant bist, dann frage dich:

Möchte ich, dass meine Milch lange hält? = Hylä-Milch kaufen

Möchte ich lieber frische, nicht so lange haltbare? = Eila-Milch kaufen

Welchen Fettgehalt möchte ich?

Normal = rote Packung; halbfett = mittelblaue Packung; fettfrei = hellblaue Packung

Möchte ich bio = „luomu“ auf der Packung

Oder reichen mir freilaufende Kühe, deren Futter nicht unbedingt bio sein muss und die Milch darf auch einen Vitamin D-Zusatz enthalten? „vapaan lehmän“ sollte auf der Packung stehen

Das war jetzt nur ein Hersteller. Es gibt weitere, die aber im Großen und Ganzen auch ein ähnliches Angebot haben.

Im Hotel, Restaurant und auf Speisekarten ist übrigens auch immer gekennzeichnet, ob Gerichte laktosearm oder laktosefrei sind, meist durch ein „L“.

In welchem Land hast du die Auswahl zwischen 11 (= elf!) verschiedenen laktosefreien Milchsorten? Herzlich willkommen in Finnland!

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