Die wenigsten wissen, wo sich die tiefsten Löcher Finnlands befinden. In meiner Heimatstadt Espoo.
Es handelt sich um zwei über 6 Kilometer lange Bohrlöcher, die für das Projekt „Deep Heat“ zum Ausbau des Nutzens von geothermischer Wärme gebohrt worden sind.
Ein ehrgeiziges Projekt, da wir hier durch ziemlich viel Granit bohren müssen.
Ähnliche Unternehmungen sind in Frankreich, den USA und in der Schweiz (Basel) durchgeführt worden.
Ziel ist es, zwei Bohrlöcher zu haben, ganz vereinfacht gibt man in eines kaltes Wasser, das durch die Wärme der Erde stark erhitzt und aus dem anderen Loch gefördert und zur Wärmegewinnung genutzt werden kann.
Gebohrt wurde in Otaniemi, dem Stadtteil, der unseren Gästen durch die technische Universität bekannt ist, die seit einigen Jahre zusammen mit der Kunstakademie und der Wirtschaftsuniversität zur Aalto-Universität fusioniert ist. Nicht zuletzt befinden sich in Otaniemi einige architekonische Perlen, von denen die Fotos in diesem Beitrag stammen.
Zunächst wurde 2015 eine zwei Kilometer lange Probebohrung vorgenommen. Auf dem Grundstück der finnischen Firma Fortum wurde im April 2016 die Bohrung des eigentlichen Projekts begonnen, also ziemlich genau vor fünf Jahren.

Die sogenannte Stimulationsphase hat man 2018 erfolgreich hinter sich gebracht. Da ging es darum, kontrolliert das erste Wasser in die Tiefe zu schicken, ohne dass die dadurch ausgelösten „Mini-Erdbeben“ zu Schäden führen würden. Das Projekt wird vom Seismologischen Institut der Universität Helsinki beobachtet, das an verschiedenen Messpunkten in Espoo und Helsinki Messungen durchführt.
Das Projekt hat übrigens einen kleinen Deutschlandbezug. Als führender Sachverständiger fungiert Peter Malin, der als Professor für Seismologie am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam (Helmholtz-Zentrum) unter anderem auch die Ergebnisse dieses Projekts untersucht, zum Beispiel die Lärmbelästigung bei der Stimulationsphase (die aber insgesamt nur circa 1/100 von normalen Felssprengungen entspricht). Ist das Projekt erst einmal im Gang, gibt es im laufenden Betrieb keinen Lärm mehr. Hier kann man sich ein Preprint einer seiner Untersuchungen anschauen: https://www.researchgate.net/publication/349050955_Acoustics_from_low-magnitude_fluid-induced_earthquakes_in_Finland
Betreiber ist ST1 (www.st1.fi; früher: ST1 Deep Heat Oy), der sich von einem reinen benzinvertreibenden Unternehmen zu einem Vorreiter im Ausbau von Geothermalwärme und Windkraft entwickelt hat – obwohl es weiterhin auch Tankstellen mit diesem Namen gibt.

Die Größe des Projekts macht es in vieler Hinsicht zu einem der weltweit ersten EGS-Projekte (Engineered Geothermal System). Alle wichtigen Bereiche einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Entwicklung eines geothermischen Großprojekts werden hier getestet, so dass später das Konzept wirtschaftlich vervielfältigt werden kann. EGS-Projekte werden nach der Meinung vieler Wissenschaftler eine große Rolle beim Wechsel zu fossilfreien Wärmeerzeugung spielen.
Das fertige Projekt „Deep Heat“ soll nach kompletter Fertigstellung ungefähr 10% des Fernwärmebedarfs der Stadt Espoo bereitstellen, und das komplett ohne Emissionen. Und Espoo ist immerhin mit knapp 290.000 (2019) die zweitgrößte Stadt Finnlands.

Bekannt ist geothermische Wärmegewinnung aus Island, wo man zum Teil ja nicht einmal bohren muss, sondern das heiße Wasser von selbst aus dem Boden kommt. Diesen Luxus haben wir wegen fehlender Vulkane hier nicht, aber das Projekt zeigt, dass Geothermalwärme uns in Zukunft sehr gut helfen kann, sowohl wirtschaftlich als auch umweltfreundlich auf fossile Brennstoffe zu verzichten.
Mehr Informationen gibt es (auf Finnisch) hier: https://www.st1.fi/vallankumousteot/poraudumme-syvyyksiin-tuottaaksemme-puhdasta-geolampoa
Ein Video auf Englisch: https://www.youtube.com/watch?v=n853GBQocC4