Thema “Russland” oder: Warum Putinversteher in Finnland nicht willkommen sind  

Finnlands neuer Präsident Alexander Stubb erwähnte in einem taufrischen Interview mit der Financial Times (11.4.2024), “dass Finnland seit dem Jahr 1300 mehr als 30 Kriege und Scharmützel mit Russland erlebt habe.”

Das ist der Grund, warum Finnland über ein hohes Maß an Kompetenz und Know-how über den östlichen Nachbarn verfügt. Unser Präsident weiß es und er sagt es, durchschnittlich alle 24 Jahre gab es zwischen 1300 und 2024 einen Krieg oder ein Scharmützel zwischen dem östlichen Nachbarn und Finnland.

Das Denkmal der Schlacht von Porrasalmi (bei Mikkeli) von 1789, die von den Finnen gewonnen wurde.

Die längste Friedenszeit gab es zwischen dem Lapplandkrieg und heute, ganze 79 Jahre. Die zweitlängste Friedensperiode von 68 Jahre gab es zwischen 1411 und 1479. Alle weiteren Friedenszeiten waren so kurz (0-39 Jahre), dass wir unterm Strich sagen können, dass jeder Finne seit über 700 Jahren mindestens in der Elterngeneration jemanden hatte, der von einem Konflikt mit dem östlichen Nachbarn zu berichten wusste. In der Ahnenforschung rechnet man mit 30 Jahren pro Generation – also haben wir 24 Generationen von Finnen, die ständig damit rechnen mussten, aus dem Osten überfallen zu werden (in meiner eigenen Ahnenforschung auf der finnischen Seite komme ich auf 22 Generationen). In der Regel konnte man aus eigener Erfahrung berichten, Ausnahme davon ist die hoffentlich noch länger andauernde Friedensperiode seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Aber da gab es immer noch genug Eltern, Tanten und Onkel, die von ihren Erfahrungen berichtet haben. So hat mir meine Tante vom zweiten Weltkrieg erzählt und dass mein finnischer Großvater Vorarbeiter in einer Fabrik war, die Molotov-Cocktails herstellte.  

Das Denkmal „Valon tuoja“ (Lichtbringer, entworfen von Pekka Kauhanen) für den Winterkrieg. Es befindet sich auf dem Kasarmitori, dem Platz vor dem Finnischen Verteidigungsministerium. Es handelt sich um das größte Stahlmonument Finnlands.

Nach der Dunbar-Zahl hat jeder Mensch einen Bekanntenkreis von durchschnittlich circa 150 Menschen. Das heißt, dass in Finnland jeder mindestens drei bis vier Personen in seinem Umkreis hatte, die durch sowjetrussische Gewalteinwirkung ihr Leben verloren hatten. Da im Durchschnitt zum engeren Bekanntenkreis 50 Personen gehören, hatte jeder mindestens einen engeren Bekannten verloren, oft sogar einen engen Familienangehörigen.

Das alles ist gut zu wissen. Von den über zwei Dutzend kriegerischen Auseinandersetzungen findet man in den Geschichtsbüchern Deutschlands, Österreichs oder der Schweiz maximal eine, wenn überhaupt. Ich jedenfalls habe im Geschichtsunterricht in Deutschland weder etwas vom Winterkrieg noch vom Fortsetzungskrieg noch vom Lapplandkrieg gehört. In diesem Sinne möchte ich hier mit diesem Blogeintrag ein bisschen Nachhilfeunterricht geben.

Zur Erläuterung: Bevor Russland die unabhängige Stadt Novgorod 1478 annektierte, hatte es Finnland mit Novgorod oder den Novogorder Rus zu tun, danach war es zwischen 1478 und 1809 das zaristische Russland. Zwischen 1809 und 1917 war Finnland als autonome Region Teil des russischen Reiches und damit fällt diese Zeit als Ausnahme heraus. Nach 1917 war es bis 1991 die Sowjetunion, danach Russland.

Noch eine weitere Erläutung: Wenn als Konfliktpartner Schweden und Russland genannt sind, dann bedeutet das nicht, dass Finnen oder Samen (die teilweise auf dem Gebiet des heutigen Finnlands lebten) nicht beteiligt gewesen wären. Da Finnland bis 1809 Teil des schwedischen Reichs war, bestand ein großer Teil der schwedischen Armee aus finnischen Soldaten. Ein Konflikt zwischen Schweden und Russland war daher immer auch ein Konflikt zwischen Finnen und Russen. Je weiter wir in die Geschichte zurückgehen, desto ungenauer werden die Angaben, wer wirklich gegen wen gekämpft hat. Oft musste die Bevölkerung einfach nur darunter leiden, dass Truppen durchs Land zogen, auch wenn man selbst an den Kämpfen weniger oder überhaupt nicht beteiligt war.

Schauen wir uns mal die Geschichte an; die Ereignisse sind in der Hauptsache wikipedia unter dem Eintrag “Finnische Kriege” https://fi.wikipedia.org/wiki/Luettelo_Suomen_historian_sodista entnommen, die leider nicht auf Deutsch existiert. Ich komme nicht ganz auf 30, sondern nur auf 27, wenn es unter den Lesern jemanden gibt, der die fehlenden drei kennt, dann lasst es mich wissen.

Im 13. Jahrhundert (circa 1200-1300) wird die gesamte finnische Bevölkerung übrigens auf 65.000 Menschen geschätzt (https://fi.wikipedia.org/wiki/Suomen_v%C3%A4est%C3%B6).

Nr.DatumLäuft unter dem NamenWas ist passiert?
11311Nowgoroder Feldzug in Finnland   (Novgorodin sotaretki)Die Nowgoroder unternahmen unter der Führung von Dmitri Romanowitsch einen Feldzug in Finnland und brannten die Stadt Vanai nieder. Man nimmt an, dass sich dies auf die Siedlung im Zentrum des heutigen Hämeenlinna („Vanaja“) oder die Burg Hakoinen in Janakkala bezog.
21314Aufstand der Karelier gegen Novgorod (Karjalaisten kapina Novgorodia vastaan)Die karelischen Truppen eroberten die Burg Käkisalmi. Die Nowgoroder eroberten die Burg zurück und bestraften die Aufständischen hart.
31318Nowgoroder Feldzug in Finnland   (Novgorodin sotaretki Suomeen)Die Nowgoroder führten einen Feldzug gegen die Sum in der „Stadt Ljudrev“ und in der „Stadt Piskupli“. Die Stadt Ljudrev wurde als Turku interpretiert, da der Herr der Burg Turku zu dieser Zeit Lyder van Kyren war. Die Stadt Piskupli könnte dann die Bischofsburg Kuusisto sein und vom schwedischen Wort „biskop“, Bischof, abstammen. Nach dem Historiker Jukka Korpela könnte der Einmarsch auch gegen Karelien gerichtet gewesen sein. Spätere finnische Bischofschroniken erwähnen jedoch, dass die „Ruthenen“ (Russen?) die Burg Kuusisto in diesem Jahr zerstörten.
41323Vertrag von Nöteborg oder Frieden von Schlüsselburg (Pähkinäsaaren rauha)Am 12. August unterzeichneten der schwedische König und der Großfürst von Nowgorod zusammen mit dem Fürsten von Moskau den Frieden von Nöteborg. Der Vertrag übertrug Wyborg an Schweden und Käkisalmi an Nowgorod.
51337Volksaufstand von Käkisalmi (Käkisalmen kapina)Nowgorod hatte die Provinz Käkisalmi als Lehen an einen litauischen Prinzen vergeben, dessen harte Besteuerung zu einem Aufstand der Karelier in Käkisalmi führte.
61350Die Nowgoroder griffen Vyborg anAm 21. März unternahmen die Nowgoroder unter dem Kommando von Iwan Fjodorowitsch und den Woiwoden Michali Danilowitsch, Juri Iwanowitsch und Jakow Chotow einen Feldzug nach Wyborg und brannten die Stadt im Verlauf der Kämpfe nieder.
71377Novgoroder Kriegsfeldzug gegen Finnland (Novgorodin sotaretki Suomeen)Die Nowgoroder unternahmen einen Feldzug im nördlichen Ostbottnien. Einigen Berichten zufolge wurde die geheimnisvolle Burg Oulu umkämpft.
81396Schwedische Militärexpedition nach Karelien (ruotsalaisten sotaretki Karjalaan)Vage Informationen über einen schwedischen Feldzug in Karelien, in der Nähe des Flusses Kurkijoki.
91380-1400Angriffe in Karelien (Hyökkäyksiä Karjalassa)Die Novgoroder Schriftrollen 248 und 249, datiert zwischen 1380 und 1400, berichten von Angriffen der schwedischen Seite auf die Karelier irgendwo in Karelien. Der genaue Ort des Geschehens ist unterschiedlich interpretiert worden. Nach Deniz Kuzmin spielen sich die Ereignisse von Brief 249 in der Region Orivesi in Saimaa ab. Die Angreifer töteten einige Karelier und raubten karelische Kaufleute aus. Die Angreifer und Opfer werden namentlich genannt, und dies ist einer von mehreren Birkenrinde-Briefen, die Auskunft über die alten Namen der Finnen geben. Ein Same namens Novze soll an diesem Überfall beteiligt gewesen sein. In Brief 248 werden ebenfalls Samen erwähnt, die je nach Auslegung entweder zu den Angreifern oder zu den Opfern gehörten. Es heißt, dass die Angreifer Gefangene gemacht haben.
101411Novgorod brennen Wyborg ab (Novgorodilaiset polttivat Viipurin)Am 26. März brannten die Nowgoroder die Vorstadt von Wyborg nieder, um sich für die Zerstörung der Burg Tiurinlinna (heute eine Ruine im russischen Teil Kareliens) zu rächen, für die sie die Schweden verantwortlich machten.
111479Nowgorod unternahm eine Militärexpedition nach Savo (Novgorod teki sotaretken Savoon)Die Nowgoroder unternahmen einen Vernichtungsfeldzug in die Region Savo (aus der meine Vorfahren stammen).
121480Die Schweden unternehmen einen Feldzug nach Karelien (Ruotsalaisten sotaretki Karjalaan)Eerik Akselinpoika Tott unternahm einen Rachefeldzug nach Karelien und errang den Chroniken zufolge einen großen Sieg.
131495–1497Russisch-Schwedischer Krieg (1495–1497) (vanha viha)Der Krieg zwischen Schweden und Russland, in dem Finnland eine schwere Niederlage erlitt. Iwan III. der Große war der erste Großfürst von ganz Russland. Die Belagerungen von Schloss Vyborg und von Olavinlinna (heute: Savonlinna).
141516Die Russen greifen Finnland an (Venäläiset hyökkäsivät Suomeen)Die Russen griffen Finnland unter Verletzung des bestehnden Waffenstillstands-abkommens an.
151555–1557Russisch-Schwedischer Krieg (1554–1557) (Suuri Venäjän sota)  Russlands erster Zar, Iwan der Schreckliche. In der Schlacht von Joutselkä auf der Karelischen Landenge wurde eine russische Invasionsarmee besiegt. Mikael Agricola (Vater der finnischen Schriftssprache, Übersetzer des Neuen Testaments in das Finnische), als Friedensunterhändler unterwegs, starb am 9. April 1557 auf dem Weg von den Verhandlungen im Dorf Kyröniemi in Kuolemajärvi.
161570–1595(“Der lange Hass” genannte Krieg) PitkävihaDer 25-jährige Krieg Schwedens gegen Russland, der mit dem Frieden von Tyssina endete. Durch den Krieg wurde die finnische Bevölkerung stark ausgehungert. Die Besiedlung der Region Oulujärvi wurde schwer beschädigt. Helsinki und Porvoo gingen verloren, die Bevölkerung von Helsinki wurde ermordert oder verschleppt. In den 1580er Jahren tobte ein Zermürbungskrieg, und trotz des Waffenstillstands führten die Bauern von Österbotten und Viena brutale Überfälle gegeneinander durch.
171610–1617Der Ingermanländische Krieg (Inkerin sota)Eine Zeit des Chaos in Russland. Schweden und Polen werden in die Machtkämpfe innerhalb Russlands verwickelt. Die Truppen von Jakob de la Gardie (Schweden) besetzen Nowgorod und Moskau. Die Eroberung von Käkisalmi. Im Frieden von Stolbowo 1617 erhält Schweden die Grafschaft Käkisalmi und Inguschetien. Nowgorod musste jedoch aufgegeben werden, und der schwedische Fürst wurde nicht zum Zaren von Russland ernannt.
181655–1661Zweiter Nordischer Krieg (Pohjan sota)Finnische Truppen in der schwedischen Armee. – 1655-1660: Krieg gegen Polen in Litauen und Polen. Karl X. Gustav, der den polnischen Thron anstrebte, eroberte Warschau, wurde aber durch einen katholischen Aufstand zum Rückzug gezwungen. Es folgte eine neue schwedische Großoffensive im Bündnis mit Brandenburg. Trotz des Sieges in der Schlacht von Warschau drohte erneut der Rückzug an die Ostseeküste. Der Friede von Oliva im Jahr 1660 beendete den seit 1598 andauernden Erbfolgestreit zwischen Schweden und Polen. – 1656-1658: Der Russische Krieg Karls X. Die russische Invasion in Livland, Inguschetien, Karelien und Finnland wurde zurückgeschlagen, obwohl sie zahlenmäßig unterlegen war. Die orthodoxe Landbevölkerung unterstützte die Russen. Als sich die Russen zurückzogen, floh die orthodoxe Bevölkerung der Provinz Käkisalmi in großer Zahl nach Russland. Schwedisch-Karelien wurde lutheranisiert. Auf den Zwischenfrieden folgte der Frieden von Kardis im Jahr 1661. Die Grenzen des Königreichs, die im Frieden von Stolbowa 1617 festgelegt worden waren, blieben unverändert.
191700–1721Großer Nordischer Krieg (Suuri Pohjan sota) die Zeit zwischen 1714 und 1721 wird auch Isoviha genannt (Großer Unfrieden)Ein gemeinsamer Angriff Deutschlands, Dänemarks und Russlands auf Schweden. Zunächst schlug Schweden alle Angreifer einzeln zurück (z. B. in der Schlacht von Narva), doch die von Karl XII. geführte Armee wurde schließlich in der Ukraine in der Schlacht von Poltawa auf dem Weg nach Moskau besiegt. Das Russland von Peter dem Großen besetzte zwischen 1713 und 1714 Finnland und wurde zur dominierenden Supermacht im Baltikum. Belagerung der Burg von Kajaani. Der Vertrag von Uusikaupunki/Nystad im Jahr 1721 beendete Schwedens Stellung als Großmacht und trat unter anderem Livland und Estland, Ingria und einen Großteil der Provinz Wyborg an Russland ab. Finnland war nach dem Krieg und der Besetzung verarmt und verwahrlost, und die an Schweden verlorenen Gebiete der Provinz Wyborg wurden zum so genannten Alten Finnland, das von Russland regiert wurde. Bevölkerungsrückgang um fast -22%.
201741–1743Russisch-schwedischer Krieg 1741-1743, auch “Krieg der Hüte” genannt (Hattujen sota) “Kleiner Unfrieden” (Pikkuviha)Der gescheiterte Revolutionskrieg der Hüte-Partei gegen Russland. Die Schlacht von Lappeenranta. Finnland wird von Russland besetzt, Zehntausende Bewohner werden getötet oder verschleppt. Kaiserin Elisabeth von Russland ermutigt die Finnen, die Unabhängigkeit von Schweden zu erlangen. Im Frieden von Turku erhält Russland weitere Gebiete im Südosten Finnlands (die restlichen Teile des sogenannten Altfinnlands).
211756–1763Siebenjähriger Krieg (Seitsenvuotinen sota)Großbritannien und Preußen gegen Frankreich, Deutschland, Österreich, Russland, Schweden und Spanien. Für Schweden: der Pommersche Krieg.
221788–1790Russisch-Schwedischer Krieg (1788–1790)   Kustaa III:n sotaDer von Gustav III. von Schweden begonnene Krieg gegen Russland. Schweden wurde auch von Dänemark besiegt. Die Frontlinien verlaufen durch Kymenlaakso und Südsavo. Scharfe Seekriege im Finnischen Meerbusen. Der Bund von Anjala. Trotz der Siege bei Porrassalmi (bei Mikkeli, siehe Foto), Parkumäki und Ruotsinsalmi gewinnt Schweden im Frieden von Värälä kein zusätzliches Gebiet.
231808–1809Russisch-schwedischer Krieg (1808-1809); gilt in Finnland als der “Finnische Krieg” Suomen sotaRussland eroberte Finnland von Schweden mit der Absicht, Schweden dazu zu bewegen, sich der englischen Kontinentalsperre anzuschließen. Die Kapitulation von Viapori (heute: Suomenlinna) brachte die schwedische Verteidigungsstrategie zum Scheitern. Die Kämpfe konzentrierten sich auf Ostbottnien und Savo. Seeschlachten im Archipel von Turku. Die Schlacht von Oravainen. Schlacht von Koljonvirta. Frieden von Hamina.
241918–1922Finnische Ostkriegszüge, auf Finnisch “Stammverwandtschafts-kriege” HeimosodatEinige tausend finnische Freiwillige nahmen an Militäroperationen zur Unterstützung von „Stammesvölkern“ in Estland, Ingermanland und Ostkarelien teil. – Estnischer Unabhängigkeitskrieg (1917-1920) Die “Jungen aus dem Norden” und das 1. Finnische Freiheitskorps gingen nach Estland, um im estnischen Unabhängigkeitskrieg zu helfen. – Viena-Expedition (1918) – Muurmann’s Legion – Aunus-Expedition (1919) – Expeditionen nach Petsamo (1918 und 1920) – Ostkarelischer Aufstand (1921-1922) – Aufstand der Ingermanländer (1919)
251939–1940Winterkrieg (Talvisota) Der Krieg begann mit der Invasion Finnlands durch die Sowjetunion, die mit den Mainila-Schüssen begann. Der Mainila-Zwischenfall war ein von der Roten Armee unter falscher Flagge vorgetäuschter finnischer Überfall auf ein sowjetisches Dorf und der Casus Belli für den sowjetisch-finnischen Winterkrieg. Die Sowjets glaubten, Finnland innerhalb weniger Wochen erobern zu können, was ihnen jedoch nicht gelang. Die Schlacht an der Raate-Straße. Die Schlacht von Kollaa, mit dem legendären Scharfschützen Simo Häyhä, sein Gewehr ist im Militärmuseum auf Suomenlinna zu sehen. Trotz bedeutender Gefechtserfolge wurden die finnischen Streitkräfte in einem ungleichen Kampf gegen überlegene Kräfte dezimiert. Im Moskauer Frieden verlor Finnland große Gebiete: Karelien und die östlichen Teile von Salla und Kuusamo. Darüber hinaus wurde Hanko an die Sowjetunion verpachtet. Während des Krieges kommen 26 662 finnische Soldaten und etwa 1000 Zivilisten ums Leben (die Bevölkerung betrug damals etwa 3,7 Millionen Menschen; auf 139 Menschen kommt ein Toter), die sowjetrussische Armee verliert mindestens 126 875 Soldaten (Marschall Mannerheims Schätzung lag bei 200 000).
261941–1944Fortsetzungskrieg (Jatkosota)Aus finnischer Sicht war der Fortsetzungskrieg eine Fortsetzung des Winterkriegs, in dem die Finnen versuchten, die im Winterkrieg verlorenen Gebiete von der Sowjetunion zurückzuerobern. Der Krieg begann mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, die Finnland wegen der Präsenz deutscher Truppen in Finnland und der Nutzung des finnischen Luftraums für deutsche Bombenflüge als Verbündeten Deutschlands betrachtete. Die Sowjetunion griff Finnland mit Bombern an und Finnland erklärte den Krieg. Später erklärten auch Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland Finnland den Krieg. Zunächst gelang es den Finnen, in die verlorenen Gebiete vorzustoßen und sogar die alte Grenze zu überschreiten. Die Besetzung Ostkareliens: Im Sommer 1944 startete die Sowjetunion eine Großoffensive auf der karelischen Halbinsel, die schließlich in der Schlacht von Talin-Ihantala gestoppt wurde. Zusätzlich zu den Grenzen des Moskauer Friedensvertrags verlor der Friedensvertrag Petsamo und Porkkala, die für 50 Jahre gepachtet wurden.
271944–1945Lapplandkrieg  (Lapin sota)Im Waffenstillstands-abkommen nach dem Krieg wurde gefordert, dass Finnland die deutschen Truppen aus Lappland vertreibt. Zunächst zogen sich die Deutschen kampflos zurück, und die finnischen Truppen folgten meist nur den sich zurückziehenden Deutschen. Die Sowjetunion bestand jedoch darauf, tatsächlich militärisch gegen die Deutschen vorzugehen. Während des darauf folgenden Krieges zerstörten die Deutschen die Gebiete, die sie zurückgelassen hatten. Im Fortsetzungs- und Lapplandkrieg wurden 65.076 Finnen und etwa 300.000 Sowjetrussen getötet.
Übersicht der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Finnen und Finnlands östlichem Nachbarn (Novgorod und ab 1478 Russland)

Insgesamt verlor Finnland im Zweiten Weltkrieg ungefähr 2,5% seiner Bevölkerung (https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_des_Zweiten_Weltkrieges), prozentmäßig genauso viel wie die Niederlande, im Vergleich dazu Deutschland 9,2%. Natürlich mit dem Unterschied, dass Deutschland den Zweiten Weltkrieg als Angreifer begonnen hat und Finnland sich verteidigt hat.

82% der finnischen Bevölkerung ist Ende 2023 für die NATO-Mitgliedschaft, 11% sind dagegen und 7% weiß keine Antwort auf die Frage (https://www.helsinki.fi/assets/drupal/2023-12/NATOpollPolicyBrief22023EN.pdf, Untersuchung der Universität Helsinki, 11/23). Männer sind zu 84% für die Nato, Frauen zu 80%. Je älter die Bevölkerung, desto höher ist die Zustimmung für die NATO, bei den 65-79jährigen sind es 88% NATO-Befürworter (8% dagegen und 3% “ich weiß nicht”). Bei dieser Gruppe gibt es auch keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Bei den 15- bis 23-jährigen gibt es eine NATO-Zustimmung von “nur” 73% (14% dagegen und 12% “ich weiß nicht”). Sie sind in der längsten Friedenszeit seit über 700 Jahren Geschichte aufgewachsen und hegen zum Teil noch blauäuige Vorstellungen, dass Russland Finnland nicht überfallen werde, wenn man nur brav genug sei und sich gegenüber Russland nicht zu “aufmüpfig” verhalten würde. Weil es ja in der Nachkriegszeit auch funktioniert habe, in den Zeiten unter Kekkonen…

Darüber hinaus gibt es einen eindeutigen Zusammenhang von Bildung und NATO-Zustimmung. Personen mit dem niedrigsten Bildungsgrad, dem Hauptschulabschluss, sind nur mit 70% für die NATO, Personen mit Universitätsabschluss sind mit 87% für die NATO (7% dagegen, 6% unentschieden).

Von allen Bevölkerungsgruppen nach der Beschäftigungsart sind es die Renter, die am ehesten die NATO befürworten: 86% der Rentner. Das hat wohl mehr mit ihrer Lebenserfahrung zu tun als mit anderen Faktoren. Geringste Zustimmung gibt es bei Arbeitslosen, von denen nur 73% für die Mitgliedschaft in der NATO sind.

Schaut man sich die Zustimmung zur NATO aufgrund von Parteizugehörigkeiten an, dann ist die natokritischte Gruppe bei Mitgliedern der Linkspartei zu finden: Nur 58% von ihnen sind für die NATO-Mitgliedschaft, 31% sind dagegen, 12% sind unentschieden. Größte Zustimmung gibt es bei der Sammlungspartei (kokoomus, 98%), den Sozialdemokraten (93%) und der Schwedischen Volkspartei (92%). Sogar die rechts-außen Partei der “Wahren Finnen” („die AfD Finnlands“) ist mit 76% eindeutig für die NATO-Mitgliedschaft.  

Ebenfalls gibt es eine Korrelation zwischen Einkommen und NATO-Zustimmung: je weniger jemand verdient, desto NATO-kritischer ist er. Bei der Gruppe mit weniger als 10.000 Euro pro Jahr gibt es eine Zustimmung von 65% für die NATO, bei der Gruppe mit einem Einkommen von mehr als 90.000 Euro im Jahr sind es 88% für die NATO.

Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man in Finnland unterwegs ist. Putinversteher sind hier in der Regel nicht willkommen, von einzelnen Ausnahmen mal abgesehen. Wer großes Verständnis für Putin aufbringt und seine Schandtaten entschuldigt, der sollte lieber woanders Urlaub machen. Ich empfehle einen Urlaub in Mali, Eritrea, Nordkorea, Syrien, Nicaragua oder Belarus. Das sind die Länder, die der Resolution der UN, dass Russland seine Feindseligkeiten beenden sollte und seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen soll, nicht zugestimmt haben. Wer in Europa bleiben will, dem schlage ich die Slowakei, Ungarn oder Bulgarien vor. Das sind die Länder, in denen man die höchste Zustimmung für die derzeitige Politik Moskaus findet.

Der Freiheitsplatz (Vabaduse väljak) in Tallinn. Das Kreuz erinnert an den Estnischen Unabhängigkeitskrieg der Esten, an dem auch finnische Freiwillige auf der estnischen Seite beteiligt waren.

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