Vom Frequenzwörterbuch zu Corona

In meiner Reihe über den Vergleich der Frequenzen im finnischen Wortschatz mit den Frequenzen im deutschen Wortschatz habe ich in den letzten drei Wochen schon mehrere Themen behandelt. So die Einführung in das Thema Sprachvergleich Finnisch – Deutsch anhand der Frequenzlisten des Wortschatzes, danach dann Menschen im Mittelpunkt sowie Natur im Mittelpunkt.

Die häufigsten auf Nationalitäten und Geographie verweisende Bezeichnungen sind

 

  im Finnischen im Deutschen
1 Suomi (53.) Finnland Deutschland (138.)
2 suomalainen (168.) finnisch, Finne, Finnin Berlin (187.), Berliner (439.)
3 Helsinki (190.) USA (270.)
4 Ruotsi (314.) Schweden Deutschen (311.), Deutsche (475.)
5 Neuvostoliitto (473.) Sowjetunion deutsche (366.)
6 Turku (622.) = die zweitwichtigste und älteste finnische Stadt München (406.) = offensichtlich die zweitwichtigste deutsche Stadt
7 Tampere (653.) Hamburg (473.) = das am häufigsten genannte Bundesland und die am zweithäufigsten genannte deutsche Stadt

Hamburger (861.) = die Kombination aus Stadtbewohner und Lebensmittel katapultiert nach oben

8 ruotsalainen (712.) schwedisch Europa (497.)
9 Tšekkoslovakia (743.) Tschechoslowakei

 

Frankfurt (597.)
10 Yhdysvallat (788.)

Vereinigte Staaten

Bayern (635.) = das am häufigsten genannte Bundesland, das nicht ein Stadtstaat ist!
11 Saksa (797.) Deutschland Köln (820.)
12 amerikkalainen (809.) amerikanisch Frankreich (826.)
13 Eurooppa (849.) Europa China (873.)
14 Englanti (906.) England /

die englische Sprache

Stuttgart (877.)
15 Meksiko (923.) Mexiko Schweiz (889.)
16 Moskova (1249.) Moskau York (906.)
17 Amerikka (1267.) Amerika Österreich (963.)
18 Ranska (1288.) Frankreich  
19 venäläinen (1311.) Russe / Russin, russisch  
20 Norja (1391.) Norwegen  
21 saksalainen (1391.) Deutsche/r; deutsch  
22 Pohjoismaa (1419.) Nordland  

 

Dass das eigene Land im Zentrum des Interesses steht, ist wohl klar.

Die jeweiligen Hauptstädte liegen fast gleichauf.

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Finnland kennt keine Bundesländer im deutschen Sinn. Die politische Lage der 60er ist klar zu erkennen. Gleich nach Schweden als dem wichtigsten Nachbarn mit der längsten gemeinsamen Geschichte folgt die Sowjetunion. Und die Tschechoslowakei ist häufiger genannt als die USA!

Interessant: In der deutschen Sprache wird die USA häufiger genannt als die Deutschen, wichtigster europäischer Nachbar ist Frankreich, gefolgt von der Schweiz und Österreich.

Nach den USA ist am häufigsten auftauchendes außereuropäisches Land in der deutschen Sprache China, im Finnischen sind es nach der Sowjetunion die USA!

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Die wichtigsten Verben im Finnischen sind übrigens olla (sein; Position 1, häufigstes Wort ), voida (können, Nr. 9), saada (erhalten, bekommen, erreichen Nr. 10), tulla (kommen, Nr. 16) und antaa (geben, Nr. 28).

Im Deutschen sind es sein, werden, haben, können und geben, die in verschiedenen Formen die Plätze 10, 24, 28, 32, 48, 51, 55, 61, 65, 67, 80, 85, 103, 112, 137, 186, 190, 201, 215, 226, 233, 238, 242, 244, 281, 302, 329, 339, 395, 464 und 491 belegen (und hier sind nur diejenigen erwähnt, die einen Platz unter den 500 häufigsten einnehmen).

Nur 12 der 100 häufigsten Wörter des Deutschen sind Verben, im Finnischen sind es 24, also das Doppelte. Action, Action, Action.

Noch ein paar Vergleiche: käsi (Hand) liegt auf Platz 168, im Deutschen auf Platz 527. rakentaa (bauen) liegt auf Platz 214, im Deutschen in Frequenzklasse 9 (die Frequenzklassen habe ich im Blog Sprachvergleich Finnisch – Deutsch anhand der Frequenzlisten des Wortschatzes erklärt), also irgendwo zwischen Platz 1166 und 2223. Selbstverständlich spiegelt der Wortschatz auch die Zeit der Korpuszusammenstellung wieder, beim Finnischen war man noch nicht weit entfernt vom zweiten Weltkrieg, in einer Phase der starken Industrialisierung.

Und: Sauna ist auf Platz 1475 (im Deutschen in Frequenzklasse 12 weit abgeschlagen).

Koulu (Schule) ist auf Platz 225, im Deutschen auf Platz 514. Oppia (lernen) auf Platz 487, im Deutschen schaft es dieses Wort gerade noch unter die 1000 frequentesten Wörter auf Platz 991. Yliopisto (Universität) ist auf Platz 556, im Deutschen auf 698. Im Blog Menschen im Mittelpunkt habe ich schon erwähnt, dass auch die Wörter für die beteiligten Personen, nämlich Lehrer und Schüler, im Finnischen wesentlich frequenter sind als im Deutschen.

Natürlich könnte man versucht sein, die Unterschiede nur auf die unterschiedlichen Korpora zurück zu führen, aber ganz kann man diese unterschiedlichen Positionierung nicht wegdiskutieren.

Tutkimus (Forschung) liegt auf Platz 178., im Deutschen in Frequenzklasse 9 irgendwo zwischen Position 1166 und 2223. Was kann uns aus der derzeitigen präkären Situation herausbekommen, wenn nicht die Forschung? Es sollte uns zu denken geben, dass im deutschen Wortschatz nicht nur die großen Parteien (343: SPD), (465: CDU), die Politik insgesamt (579.) und auch der Trainer (590.) frequenter sind als die Forschung und der Forscher oder die Forscherin. Sogar der FC (671.) und die Fans (965.) sind frequenter.

Meine Idee für den Fußball: Wie wäre es, wenn sofort ab Beginn der nächsten normalen Spielsaison jeder Spieler (Platz 599) von allen Spitzenfußballmannschaften Europas sofort und freiwillig die Hälfte ihrer Gage in einen europäischen Forschungsfonds einzahlen, der sicherstellt, dass uns kein Corona 2 (und 3 und 4…) widerfährt? Experten, darunter auch Bill Gates, haben schon vor einiger Zeit davor gewarnt, dass die größten Gefahren, die der Menschheit drohen, in Pandemien liegen. Man könnte ja ganz einfach sagen, dass jeder, der mehr als eine Million Euro im Jahr verdient, sich an dieser Aktion beteiligen kann. Und gerne auch Nicht-Fußballer – damit man mir hier keine Fußballfeindlichkeit vorwirft. Aber irgendwo liegen die Prioritäten falsch, wenn Nachwuchsforscher sich von einem Jahresvertrag für 1800 Euro im Monat (oder noch weniger) zum nächsten hangeln müssen, jederzeit vom Nichts bedroht sind und man dann trotzdem auf einmal von ihnen erwartet, dass sie die Welt retten sollen. Und übrigens: Für die Erforschung der Entstehung von Viren brauchen wir nicht nur Ärzte, Biologen und Biochemiker sondern auch Ethnologen und Sinologen, also Personen, die der verschiedenen Varietäten des Chinesischen mächtig sind. Also genau das, was in Stammtischrunden traditionell als „brotlose Kunst“ eingestuft wird.

Das Problem wird darin liegen, dass eine verhinderte Pandemie leider denjenigen keine Lorbeeren bringt, die für ihre Verhinderung gesorgt haben, sich daher keiner bei den Forscherinnen und Forschern bedanken wird, die dieses (hoffentlich) bewerkstelligen werden. Genauso, wie sie es schon geschafft haben, uns mit Antibiotika und Impfungen ein längeres Leben zu geben als unseren Vorfahren. Fragen Sie sich selbst kritisch, ob Sie als Entscheidungsträger vor Monaten jemandem Geld gegeben hätten, der vor einer weltweiten Pandemie gewarnt hätte. Die meisten hätten ihn als Spinner hingestellt. Und er hätte so Recht gehabt. Wie wir jetzt wissen.

 

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