Klein, aber fein. Die Sammlung Reitz.

Wer in Helsinki noch nie von der Sammlung Reitz gehört hat, dann ist das leider kein Wunder. Es handelt sich nämlich um eine ziemlich versteckte Perle in der Museenlandschaft der Stadt. Aber jede*r, der oder die dagewesen ist, wird die Gemälde dort nicht vergessen. Und weiterempfehlen.

Reitz klingt nach einem deutschen Namen, und das ist er auch. Die Vorfahren der finnischen Familie Reitz kamen im 18. Jahrhundert nach Schweden, um dann im 19. Jahrhundert weiter nach Finnland zu ziehen.

Genauer gesagt legte Lauri Reitz (geb. 1893) den Grundstein nicht nur für das Museum, sondern auch für das gesamte Haus, in dem sich das Museum befindet. Reitz kam aus einfachen Verhältnissen, sein Vater war Eisenbahnarbeiter, seine Mutter Näherin. Die Familie war zweisprachig finnisch und schwedisch.

Lauri Reitz

Das Museum befindet sich in der Apollonkatu 23 (B64), im sechsten Stockwerk des Hauses. Auf Straßenniveau liegt das bekannte Restaurant Elite, ebenso das ehemalige Ritz-Kino, wo man jetzt Biljard spielen kann. Da die Sammlungen einer Stiftung gehören, die nur über begrenzte Mittel verfügt, ist es nur mittwochs und sonntags zwischen 15 und 17 Uhr geöffnet, im Sinne des Gründungsgedanken wird kein Eintritt verlangt. Im Juli ist es geschlossen, so dass die Kunstfreunde für einen Helsinkibesuch besser den Juni oder den August ins Auge fassen sollten.

Maria Reitz

Lauri Reitz absolvierte eine Ausbildung zum Baumeister und gründete eine Baufirma, die an der Konstruktion mehrerer Häuser in den (nun ) Helsinkier Stadtteilen Kulosaari und besonders dann in Töölö beteiligt war. Über 20 schöne Häuser in Töölö wurden unter seiner Ägide fertiggestellt, vom Gewinn begann Lauri eine Kunstsammlung aufzubauen. Die unter seiner Aufsicht gebauten Häuser waren bekannt für ihre technischen Innovationen und ihre Qualität. Reitz interessierte vor allem die einheimische Kunst, bei besonders schönen Stücken durfte es aber auch was aus dem Ausland sein. Lauri und seine Frau Maria bekamen einen Sohn, Lasse, der aber leider schon im Alter von 42 Jahren starb. Danach starb Lauri 1959 und Maria 1971. In ihrem Testament verfügte sie die Einrichtung einer nach ihrem Mann und ihrem Sohn benannten Stiftung, die verpflichtet wurde, die Mieteinnahmen in Kunst zu investieren. So müssen pro Jahr circa 600.000 Euro möglichst intelligent in die Erweiterung der Sammlung investiert werden. Seit 1972 steht in den ehemaligen Wohnräumen der Familie Reitz die wunderschöne Sammlung dem Publikum als Museum offen. Zu sehen sind wichtige Werke der finnischen Malerei, 2021 waren es insgesamt 183 Gemälde. Dazu kommt die wohl bedeutendste Sammlung finnischer Silbergegenstände, Meissner Porzellan und Sevrès-Porzellan, antike Uhren (darunter die wertvollste ist diejenige von Benedict Miller, 1640 in Augsburg hergestellt) sowie eine mittelalterliche Waffensammlung. In diesem Blogartikel konzentriere ich mich auf die Gemälde der finnischen Malerei, weniger auf diejenigen Schätze, die man auch in vielen Sammlungen in Mitteleuropa bewundern kann.

Lasse Reitz

So findet man eine der bedeutendsten Sammlungen der Werke von Helene Schjerfbeck (1862-1946). Die „Schale mit Zitronen“ und das „Mädchen mit dem blauen Band“ sind die beiden bei ihrem Erwerb teuersten Gemälde.

Die Schale mit Zitronen
Das Mädchen mit dem blauen Band

Auch ist Albert Edelfelt (1854-1905), Maria Wiik (1853-1928) sowie Aukusti Uotila (1858-1886) vertreten. Und natürlich einige der Tiermalereien der Brüder von Wright.

Besonders interessant für mich sind die Gemälde von einem Verwandten von mir, denn es finden sich auch zwei Werke von Pekka Halonen, eine Schneelandschaft aus Sortavala in Karelien und ein Portrait seiner Frau Maija. Wer sich jetzt wundert: Ja, über die Ahnenforschung habe ich herausgefunden, dass ich vierte Cousine fünften Grades von Pekka Halonen bin.

Pekka Halonen: Schneelandschaft in Sortavala
Pekka Halonen: Porträt seiner Frau Maija Eerontytär Halonen, geb. Mäkinen (1873-1944)

Auch findet man Werke von der Malerin Hanna Frosterus (später Hanna Frosterus-Segerstråhle (1867-1946), die sich klugerweise als eine der wenigen Frauen vor ihrer Hochzeit von ihrem Mann ein Papier unterschreiben lies, dass er ihr auch nach der Hochzeit weiterhin das Malen erlauben würde. Acht Kinder wurden geboren, aber Frosterus konnte in ihrer spärlichen Freizeit weitermalen. Von ihr ist das wohl bezauberndste Gemälde der Sammlung vom „müden Hochzeitsgast“, es zeigt ein eingeschlafenes Kind. Vier der acht Kinder wurden berühmt. Sven Segerstråhle wurde ein bekannter Biologe, der unter anderem wichtige Forschungsergebnisse zur Ostsee lieferte und das finnische Institut für Meeresbiologie leitete. Sein Bruder Lennart führte als Maler und Grafiker die künstlerische Karriere seiner Mutter fort. Die Tochter Solveig Margareta von Schoultz wurde bekannte Schriftstellerin. Eine weitere Tochter, Ellen Elisabet Segerstråle, wurde Architektin und Zeichenlehrerin.

Interessant, dass Lauri Reitz schon früh auf die Werke von finnischen Malerinnen aufmerksam wurde und sie in seine Sammlung aufnahm.

Fazit: Als Kunstliebhaber*in sollte man diese Sammlung unbedingt auf der Bucketlist haben, wenn man Helsinki besucht.

Ein Gedanke zu “Klein, aber fein. Die Sammlung Reitz.

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