Wie hoch ist der Durchschnittsverdienst in Finnland?

Getreu meinem Motto, die häufigsten und beliebtesten Fragen meiner deutschsprachigen Gäste in Finnland zu beantworten, hier nun ein Klassiker: Wie hoch ist der Durchschnittsverdienst in Finnland?

Ich beantworte diese Frage immer mit ein wenig Bauchweh, weil schon die Frage “Wie hoch ist der Durchschnittsverdienst in Deutschland?”beim Googeln zu unterschiedlichen Ergebnissen führt und mit großer Vorsicht genossen werden sollte.

Der Durchschnittsverdienst bezieht nämlich alle Einkommen ein, die ausgezahlt werden, das heißt, dass auch Ackermanns und Winterkorns den Durchschnitt nach oben ziehen – und von solchen finanzkräftigen Firmen gibt es nun mal in Deutschland wesentlich mehr als in Finnland. Wer jetzt glaubt, dass eine branchen- oder berufsspezifische Analyse ein aussagefähigeres Bild ergibt, der liegt jetzt leider genauso falsch.

Hier ein einfaches Rechenbeispiel (aus https://karrierebibel.de/durchschnittsgehalt/): “Ein Friseur verdient 22.000 Euro im Jahr, sein Kollege 25.000 Euro, eine Konkurrentin 26.000 Euro. Nummer vier hat seine Ausbildung absolviert und steigt mit 18.000 Euro ein. Nummer fünf aber, ein Star-Coiffeur für die Reichen und Schönen, kommt auf 146.000 Euro jährlich. Das Durchschnittsgehalt dieser fünf Friseure beträgt nun 47.400 Euro – ein Gehalt, von dem vier der fünf Befragten nur träumen können.”

Das statistische Bundesamt gibt als Durchschnittsverdienst in Deutschland 3771 Euro an (2017), ihr finnischer Counterpart Tilastokeskus für Finnland 3087 Euro. Das wäre also ein Unterschied von etwas mehr als 18 Prozent zugunsten der deutschen Verdienste.

Das erstaunt viele Gäste, die beim Blick auf die finnischen Preise oft kommentieren “Sie verdienen bestimmt auch dementsprechend”. Leider nicht. Aber lassen wir die Daten für sich sprechen.

 

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Hier kann man auch mit Nuggets bezahlen: Restaurant beim Goldmuseum in Tankavaara

 

Auch sollte einem der Unterschied zwischen Durchschnitt und Median bekannt sein. Der Median ist wesentlich aussagekräftiger, weil ich dann weiß, dass die Hälfte der Bevölkerung weniger und die andere Hälfte mehr verdient. Der Durchschnitt bezieht immer die “Star-Verdiener” (wir erinnern uns an den Star-Coiffeur!) mit ein und lässt die meisten von uns blass aussehen. Im Median sind diese auch enthalten, aber eben nur als Einzelfälle, und wirken sich daher nicht so stark auf die Zahlen aus.

Und beim Medianverdienst nähern sich Deutschland und Finnland ein wenig, die Zahlen sind in beiden Ländern immer niedriger als der Durchschnittsverdienst. Leider ist es aber schon eine Wissenschaft für sich, die entsprechenden Zahlen im Internet zu finden. Mal sind nur Vollzeitstellen gerechnet, mal sind Halb- und Teilzeitstellen miteingerechnet, mal handelt es sich um Brutto-, mal um Nettolöhne, man muss extrem aufpassen, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Beim aktuellen OECD Better Life Index kommt Deutschland auf ein Pro-Kopf-Einkommen von 33 652 US-$ pro Jahr, Finnland liegt bei 29 374 US-$ pro Jahr, Deutschland damit über dem OECD-Durchschnitt von 30 563 US-$ pro Jahr und Finnland etwas darunter. Die entsprechenden Zahlen bei Eurostat lauten 28.473 Euro Pro-Kopf in Deutschland und 24.196 Euro für Finnland.

Am nächsten kommen sich die Zahlen, wenn man das pro Haushalt zur Verfügung stehende Nettoeinkommen vergleicht, weil sich hier auswirkt, dass die meisten finnischen Frauen arbeiten, davon die meisten sogar in Vollzeit.

Der finnische Medianverdienst (brutto) betrug 2017 2816 Euro, in Deutschland waren es schon im April 2014 2990 Euro (im Vergleich dazu betrug der Durchschnittsverdienst 3441Euro!), leider sind die Deutschen bei der Auswertung der Zahlen wesentlich langsamer als die Finnen. Ergebnis ist, dass die Zahlen im Internet aus Finnland immer aktueller sind als die deutschen, die “hinterherhinken” (und die alten finnischen Zahlen sind dann schon verschwunden, wenn man nach ihnen sucht).

Auch ist die Lohnstruktur in Finnland eine andere: in Deutschland sehr niedrige Lohngruppen verdienen hier mehr, zum Beispiel Putzkräfte. Dagegen verdienen viele Akademiker in Finnland erstaunlich wenig, bei Ingenieuren gibt es Firmen, die gerne nach Finnland kommen, weil hier Ingenieure circa ein Drittel weniger bezahlt werden als Deutschland. Dazu trägt bei, dass zum Beispiel in Helsinki mehr als die Hälfte der Bevölkerung einen akademischen Abschluss aufweist – es ist also kein besonderes Verdienst mehr. Das betrifft zum Beispiel auch Lehrer oder Kindergärtner, die in Finnland an den Universitäten ausgebildet werden. So kostete die durchschnittliche Lohnstunde 2018 in Deutschland 34,06 Euro, in Finnland waren es weniger, nämlich nur 33,60 Euro. Das Mythos von den skandinavischen Ländern als Hochlohnländern ist also bei Finnland ein echtes Mythos, dagegen sind Dänemark und Schweden deutlich teurer, ebenso natürlich Spitzenreiter Norwegen mit 50 Euro und das geringfügig günstigere Island.

Hier ein paar Vergleichszahlen, immer angegeben ist der Medianverdienst, ich nehme hier einige der wenigen Berufe, bei denen eine genaue Vergleichbarkeit möglich ist:

Grundschullehrer in Deutschland: 4161 Euro versus in Finnland: 2995 Euro
(also nur 72% des deutschen Gehalts – hier kann also nicht der Grund liegen für die Beliebtheit des Lehrerberufs in Finnland!)

Krankenschwester in Deutschland: 3285 Euro versus in Finnland 2942 Euro

Bauer in Deutschland: 2043 Euro versus 2263 in Finnland (vielleicht macht sich hier bemerkbar, dass die Bauern mit der Zentrumspartei eine eigene politische Vertretung haben, die für ihre Klientel sorgt)

Der Vergleich ist extrem schwierig, weil die Art der Statistikführung eine andere ist: so kommen finnische Ärzte auf ein Mediangehalt von 6874 Euro, während die deutsche Arbeitsagentur auf ihrer Seite lapidar “über 5700 Euro – oberhalb der Bemessungsgrenze” vermerkt. Das heißt, dass wir in Finnland genau wissen, dass insgesamt 12 645 Ärzte unter dieser Bezeichnung arbeiten, die eine Hälfte von ihnen verdient weniger als 6874, die andere mehr als 6874 Euro, unter dem finnischen Titel sind alle Chefärzte, Fachärzte usw. inkludiert.

Bei vielen anderen Berufen ist kaum eine Vergleichbarkeit der Statistiken gegeben. So teilt Finnland alle seine Arbeitnehmer in nur elf Klassen auf, von denen eine zum Beispiel “spezialisierte Fachkräfte” heißt – ein Sammelsurium von den verschiedensten Berufen, die auch sehr unterschiedlich bezahlt werden, die Grundschullehrer gehören auch in diese Kategorie. Eine ähnliche Statistik von Deutschland habe ich noch nicht gefunden.

Wie man es auch dreht und wendet: es bleibt bei der Tatsache, dass bis auf wenige Ausnahmen (den Beruf des Bauers zum Beispiel) in Deutschland zwischen geringfügig bis wesentlich mehr, nämlich circa ein Drittel mehr verdient wird als in Finnland.

Doch die Einkommensseite ist nur die eine Seite der Medaille, bei der Gesamtbilanz muss man sich auch die Ausgabenseite anschauen.
Vorteile bei der Ausgabenseite haben vor allem Familien, insbesondere durch die wesentlich günstigere Vollzeitbetreuung in Kitas und Kindergärten, ein Vollzeitbetreuungsplatz kostet einkommenabhängig maximal circa 250 Euro. Jeden Tag gibt es ein kostenloses Mittagessen für die Schulkinder (seit 1947!). Später dann auch durch kostenloses Studium oder auch gute Bibliotheken, die es einer Privatperson ermöglichen, gänzlich das Anschaffen eigener Literatur zu umgehen. Im Vergleich zur Schweiz ist die Krankenkasse hier schon inkludiert und muss nicht noch abgezogen werden.
Gewisse Hobbys sind in Finnland wesentlich günstiger als in Deutschland: so kann ich für einen Jahresbeitrag von weniger als 50 Euro das ganze Jahr über fischen gehen und so meinen Speiseplan bereichern. Pilze und Beeren sammeln kostet nichts, der durchschnittliche Finne sammelt 14 Kilo Beeren im Jahr!

 

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Detail aus einem Bild von Oda-Liv Koivisto (Ausstellung in Siida-Museum 2018 in Inari)

 

Jedoch sind die Lebenshaltungskosten in Finnland deutlich teurer als in Deutschland, nämlich um circa 18 Prozent. Wie schaffen es die Finnen dann, trotzdem über die Runden zu kommen?
Darüber wird es im nächsten Blog gehen, also bleiben Sie dran!

7 Gedanken zu “Wie hoch ist der Durchschnittsverdienst in Finnland?

  1. Ich finde diese Vergleiche auch ziemlich schwierig und habe den Eindruck, dass Deutschland bei den Einkommensvergleichen meist zu „gut“ und Finnland zu „schlecht dargestellt wird. So wie ich verstanden habe, ist die Steuer- und Abgabenlast in Finnland für eher niedrige bis normale Gehälter deutlich niedriger als Deutschland, sodass netto mehr bleibt.

    • Ja, das stimmt besonders in letzter Zeit. Es hält sich aber noch hartnäckig das Gerücht, dass man in den nordischen Ländern ja SOOOO viel Steuern zahle, und nicht in Deutschland. Das stimmt definitiv nicht, Deutschland hat da ordentlich aufgeholt. Aber andererseits gibt es in DE wesentlich mehr Gestaltungsspielraum durch die verschiedenen Steuerklassen, wenn man verheiratet ist. Es kommt also immer auf den Einzelfall an, wo man „besser“ aussteigt.

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